Hans-Gerd Heye

Wie hoch ist das Brandrisiko von WDVS mit Styropor tatsächlich?

Hans-Gerd Heye, 06. Mai 2013

Mit Gebäudebränden ist nicht zu spaßen, das ist jedem klar. Ihre schnelle Ausbreitung durch baulichen Brandschutz zu verhindern, ist die Pflicht aller Baubeteiligten. Die Brandgefahren dürfen aber andererseits nicht zu Panikmache führen, wie sie in der jüngeren Vergangenheit durch Meldungen über das angeblich hohe Brandrisiko von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) mit expandiertem Polystyrol Hartschaum (EPS) als Dämmung erfolgte.

Danach handelt jeder Bauherr, der ein solches WDVS an der Fassade einsetzt, aus brandschutztechnischer Sicht leichtfertig. Von „Zeitbomben an der Wand“ war bei diesem vor allem unter dem Markennamen Styropor bekannten Dämmstoff sogar die Rede.

Rainer Schüle hat zum Brandschutz von WDVS mit seinem Blog-Beitrag „Beim Brandschutz sind die Vorschriften entscheidend“ schon eine lebhafte Diskussion angestoßen, wie die zahlreichen Kommentare zeigen. Das Thema ist also so interessant, dass sich einige weitere Anmerkungen zur Thematik und insbesondere zu den aktuellen Medienberichten lohnen.

Tatsache ist, dass die Medien – ob nun Fernsehen, Radio oder die Presse – mit ihren Beiträgen Aufmerksamkeit bei Zuschauern, Zuhörern oder ihren Lesern erreichen wollen und sogar müssen. „Knallige“ Schlagzeilen gehören zum Geschäft. Statt einer umfassenden und objektiven Aufklärung wird bei der Berichterstattung über einen Unglücksfall zudem oft vorschnell ein „Schuldiger“ präsentiert oder in übertriebener Art und Weise vor möglichen Gefahren gewarnt.

Besonders deutlich zeigt sich dies bei einem acht Jahre zurückliegenden Brandfall in Berlin-Pankow, der auch aufgrund von zwei Todesopfern damals die Gemüter erhitzte. In einem Beitrag des NDRs wird unter dem Thema „Wahnsinn Wärmedämmung“ ebenfalls auf diesen Brand eingegangen.

Was war geschehen? In einem Wohnblock bildete sich durch die Entzündung eines Fernsehers ein heftiger Wohnungsbrand. Er griff durch geborstene Fenster schnell auf die mit Holzspanplatten gedübelte WDVS-Fassade aus 80 mm dicken EPS-Platten über.

Holzspanbauplatten haben im Brandfall natürlich eine erhebliche Verstärkung und Beschleunigung eines Brandes zur Folge. Die WDVS-Ausführung beruhte deshalb bei dem Objekt auf einer Zulassung im Einzelfall. Die vorgeschriebenen Brandschutzmaßnahmen, nämlich so genannte Brandriegel aus nicht brennbarem Dämmstoff unterblieben aber oder wurden mangelhaft ausgeführt. Schuld für die schnelle Brandentwicklung war also vorrangig der nicht eingehaltene bauliche Brandschutz. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) kommentierte den Vorfall in einer Stellungnahme deshalb mit der Feststellung, dass es sich nicht um ein von der DIBt zugelassenes WDVS handelte.

Leider wurde teilweise auch von Fachleuten die Ursachenforschung für den schnellen Brand der Fassade nicht abgewartet. So bezeichnete der damalige Landesbranddirektor Albrecht Bromme die Wärmedämmfassade als Sicherheitsrisiko Nummer Eins. Eine Beurteilung, die die Presse dann in ihren Meldungen über den Brand dankbar aufgriff.

Dabei ist doch eigentlich bekannt, dass gerade bei Bränden die Umstände zu ihrer Entstehung und Ausbreitung immer genau zu untersuchen sind. So kann baulicher Brandschutz bei einer WDVS-Fassade mit EPS auch nur zu 100 Prozent funktionieren, wenn die WDVS-Arbeiten komplett abgeschlossen sind. Ein typisches Beispiel bildet in dieser Hinsicht ein Gebäudebrand auf einer Baustelle in Frankfurt im vergangenen Jahr.

Die tatsächliche Brandursache ist nicht eindeutig geklärt. Vermutlich waren Schweißarbeiten auf dem Baugerüst schuld. Eine schlüssige Erklärung für die schnelle Brandausbreitung über die mit einer EPS-Dämmung verkleidete sechsstöckige Fassade gibt es allerdings schon. Zentraler Grund ist das nicht fertiggestellte WDVS. Weil die EPS-Dämmung nicht vollständig verputzt und das Dämmsystem unten auch noch nicht durch eine Perimeterdämmung geschlossen war, hatten die Flammen ungehinderten Zugang auf die Dämmung.

Dieser wichtige Zusammenhang wurde in der Presse nicht behandelt, sondern die EPS-Dämmung generell als hohes Brandrisiko „verteufelt“. Ein komplett verputztes, geschlossenes WDVS hätte aber, wie die für die für bauaufsichtliche Zulassung erforderlichen Brandversuche beweisen, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Flammen mindestens 20 Minuten standgehalten und so der zügig eintreffenden Feuerwehr ausreichend Zeit für eine wirksame Bekämpfung ermöglicht.

Fazit: Die von den Medien der EPS-Dämmung angelasteten Brandausweitungen sind in der Regel auf Fehler bei der Planung und Bauausführung oder auch besondere Umstände zurückzuführen. Festzuhalten ist außerdem, dass die Anzahl der Brände, an denen WDVS beteiligt war, im Verhältnis zu den damit schon wärmegedämmten Millionen Quadratmetern Fassadenfläche sehr gering ausfällt. So sind in den letzten 10 Jahren nur drei Fälle bekannt, bei denen WDVS eine Rolle spielte.

Damit kein Missverständnis auftritt: Keiner will die mögliche Brandausweitung durch schwer entflammbare, aber letzlich brennbare Dämmstoffe herunterspielen – auch ich nicht. Wenn ein Bauherr bei WDVS mit EPS-Dämmung trotz der bauaufsichtlichen Zulassung der DIBt weiterhin Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes hat, kann er ebenso gut einen anderen, nicht brennbaren Dämmstoff wählen. Statt Polystyrol empfiehlt sich für ihn dann, wie Rainer Schüle in seinem Blog-Beitrag schon anführte, eine Mineralwolle- oder Mineralfaserdämmung. Das ist zwar teurer, aber eine Alternative, die ihn dann ruhig(er) schlafen lässt.

 

Kommentare  

Thomas Donnerstag, 16. Mai 2013 13:27
Leute, nehmt einfach hochwärmedämmende Produkte für die Außenwand (z.B. Porenbeton, Leichtbeton oder Ziegel). Diese benötigen keine zusätzliche Dämmung und die ganzen Diskussionen zum WDVS sind obsolet!

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