Gedämmte Wände können nicht schimmeln
Vorab: Es ist nicht möglich, dass gedämmte Wände schimmeln. Die Begründung dafür ist so leicht zu verstehen, dass man nicht mal Ahnung von Bauphysik zu haben braucht. Also: Damit Schimmel entstehen und wachsen kann, braucht es Feuchtigkeit.
Weil nun die Oberflächentemperaturen auf der Innenseite von gedämmten Wänden in aller Regel zwischen 17 bis 19 Grad liegen, kann dort kein Tauwasser (Kondensat) entstehen (erst unter 12 Grad wird es kritisch). Gedämmte Wände sind also knochentrocken, Schimmel hat – zumindest dort – keine Chance.
Eigentlich ist der Beitrag hiermit schon zu Ende.
Da aber die meist pseudowissenschaftliche Diskussion um das Schimmelproblem gedämmter Wände für Laien oftmals eine gewisse Plausibilität vermittelt, hier noch ein bisschen Futter für all jene, die sich künftig – fachlich fundiert – an der Diskussion beteiligen möchten.
"Was uns Probleme macht, ist nicht das, was wir nicht wissen, sondern das, was wir mit Sicherheit wissen, was aber in Wirklichkeit falsch ist." Ich habe diesen Satz aus dem Kinofilm "Eine unbequeme Wahrheit" von Al Gore. Al Gore hat ihn von Mark Twain. Und Sie haben den Satz jetzt von mir.
Lange Zeit "wussten" wir, dass die Erde eine Scheibe ist, dass Spinat besonders viel Eisen enthält und dass neue Fenster zu Schimmel auf den Wänden führen. Die Sache mit der Erde und dem Spinat ist längst geklärt, das mit den Fenstern, den Wänden und dem Schimmel klären wir jetzt.
Jeder "weiß", dass nach dem Fenstereinbau das Haus dichter ist und man deshalb mehr lüften muss, um Schimmel zu vermeiden. Dass dieses "Wissen" falsch ist, könnte sich jeder mit etwas bauphysikalischem Grundverständnis selbst herleiten. Weil aber bauphysikalisches Grundverständnis insgesamt nicht sehr weit verbreitet ist, glaubt man das, was halbwegs plausibel erscheint. So werden gelegentlich die wichtigen Dichtungen der nagelneuen Fenster mit dem Cuttermesser eingeschlitzt oder einfach rausgerissen, um den alten "Lüftungszustand" wenigstens halbwegs wieder herzustellen (Aua!).
Oder man entscheidet sich fürs Dauerlüften, obwohl man damit nicht nur die Heizkosten nach oben jagt, sondern auch noch die Schimmelgefahr steigert: Weil nämlich der Raum inklusive Innenwände beim Lüften eventuell so weit auskühlt, dass sich auf den kalten Wandoberflächen Tauwasser bildet, das dann zu noch mehr Schimmel führen kann. Wie gesagt: "Gefährlich ist nicht das, was wir nicht wissen, ...".
Es ist eigentlich einfach zu verstehen, man muss sich nur drei Fälle anschauen:
Erstens: Der Urzustand. Die alten Fenster haben im Winter eine Temperatur auf der Innenseite von geschätzten 10 Grad oder etwas weniger. Es entsteht Tauwasser ("Kondensat", die Scheiben "beschlagen"). Das ist unproblematisch, weil das Tauwasser an der Scheibe nach unten fließt und sich schlimmstenfalls auf der Fensterbank als kleine Pfütze sammelt. Das Wasser muss man immer wieder mal wegwischen – Thema erledigt.
Ungedämmte Altbauwände haben eine etwas bessere Dämmwirkung als alte Fenster, die Oberflächentemperatur der Wände liegt auf der Innenseite dadurch höher, bei geschätzten 15 Grad. In den Ecken aber nur bei etwa 12 Grad. Gerade noch mal Glück gehabt: Denn der so genannte Taupunkt liegt leicht darunter, irgendwo zwischen 10,5 und 12,0 Grad.
Gut zu wissen: Auf Flächen, deren Temperatur niedriger oder gleich der Taupunkt-Temperatur ist, fällt Tauwasser aus.
Auf den ungedämmten Wänden in unserem Beispiel gibts keine Tauwassergefahr, weil selbst die kalte 12-Grad-Oberflächentemperatur der Zimmer-Ecken gerade noch über der Taupunkt-Temperatur liegt. Die Raumluft muss zwar auf bis zu 23 Grad erwärmt werden, damit man sich trotz kalter Flächen, die einen umgeben, behaglich und wohl fühlt. Bis auf die extrem hohen Heizkosten ist die Welt aber in Ordnung.
Noch!
Zweitens: Jetzt werden neue Fenster eingebaut. Neue Fenster haben innen wegen ihrer – im Vergleich zu den alten Fenstern – guten Dämmwirkung eine höhere Oberflächentemperatur (ca. 18 Grad) als die alten Fenster (ca. 10 Grad). Im Raum wird es wegen dieser warmen Flächen behaglicher, man kann die Heizung etwas runterdrehen (zum Beispiel auf 21 Grad) und Heizkosten sparen. Das war mit dem Einbau der neuen Fenster ja auch beabsichtigt.
Achtung: Kühlere Raumluft nimmt weniger Wasser auf, die Luftfeuchtigkeit steigt im Raum etwas an. Die Taupunkt-Temperatur steigt in der Folge ebenfalls leicht an, die Oberflächentemperatur der Wand fällt auf etwa 13,5 Grad, in den Ecken auf unter 10 Grad. Dort wird der Taupunkt jetzt leicht unterschritten. Die Konsequenz: Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es Schimmel auf den Wänden.
Die 18 Grad warmen Fensterscheiben bleiben jetzt trocken, das Tauwasser bildet sich auf der Tapete als Feuchtigkeit, die man nicht sehen kann. Man kann sie auch nicht wegwischen. Sie zieht in die Wand ein und findet mit dem Tapetenkleister einen optimalen Schimmelnährboden. Man kann sich nun dumm und dämlich lüften. Zwar wird die Luft zeitweise etwas trockener, die Wand-Oberflächen werden aber nicht wärmer. Im Gegenteil. Sie kühlen weiter aus, es kann noch mehr schimmeln.
Wer jetzt viel lüftet, reduziert zwar kurzzeitig die Luftfeuchtigkeit und reduziert damit kurzzeitig auch die Schimmelgefahr, doch schon kurz nach dem Schließen der Fenster steigt die Luftfeuchtigkeit wieder an und Tauwasser kann auf den kalten Wänden ausfallen. Dauerlüften wäre jetzt fatal.
Drittens: Zu neuen Fenstern gehört eine Fassadendämmung. Wenn man neue Fenster in alte Wände einbaut, dann muss man sich auch die Fassade sehr genau anschauen und sie dämmen. Denn mit einer Fassadendämmung hebt man die Oberflächentemperatur (innen) der Wand auf bis zu 19 Grad und es kann kein Tauwasser mehr entstehen – und kein Schimmel.
Fazit: Wenn man neue Fenster einbaut und danach die Wände schimmeln, sind nicht die neuen Fenster Schuld. Und erst recht nicht die Bewohner, die zu wenig lüften. Die Bauverantwortlichen sind einfach nur den halben Weg gegangen. Zu neuen Fenstern gehört eben immer auch eine Fassadendämmung.
Bleiben wir noch ein bisschen bei diesem spannenden Thema. Folgende Beispielsituation: Im Zuge einer Fassadendämmung werden aus Kostengründen die Fensterlaibungen nicht gedämmt. Wenig später schimmelt es auf der Innenseite der ungedämmten Fensterlaibungen und wir sind verärgert. In unserem Bekanntenkreis erzählen wir nun Folgendes: "Ich habe gedämmt und jetzt schimmeln die Wände." Wir wissen, dass das stimmt, schließlich haben wir es selbst erlebt. In Wirklichkeit ist diese Aussage aber falsch. Denn die Wände schimmeln nur dort, wo sie nicht gedämmt wurden. In diesem Fall wurden eben die Laibungen nicht gedämmt.
Deshalb lautet eine der wichtigsten Energiespar-Botschaften, dass man das Haus rundum, inklusive Laibungen und Sockel, dämmen muss, wenn man bauphysikalisch alles richtig machen möchte. Schließlich gehen Sie ja auch im dicksten Winter rundum eingepackt nach draußen. Und nicht barfuß mit Wintermantel, Mütze und Handschuhen. Erfahrungsberichte zufriedener Hausbesitzer finden Sie hier.
Noch so ein weiterer Irrtum: Auf der Innenseite einer Dämmung, zwischen Dämmung und alter Fassade, könnte Tauwasser entstehen. Wie soll das funktionieren? Dort ist es immer warm, es ist dort unter normalen Umständen immer trocken. Und selbst wenn dort – wie auch immer es möglich war – doch etwas Feuchtigkeit auftreten sollte, ist das nicht tragisch, weil Polystyrol (Styropor) Wasserdampfdiffusionswiderstandswerte hat, die denen von Holz sehr ähnlich sind. Es gibt zwar auch nahezu wasserdichtes (extrudiertes) Polystyrol für die Dämmung von Kelleraußenwänden. Auf der Fassade kommt aber das dampfdiffusionsoffene ("atmungsaktive") Material zum Einsatz.
Versuch: Ein Stück Polystyrol in einen Wassereimer tauchen. Es nimmt Wasser auf, wird schwerer. Danach den Dämmstoff auf die Heizung oder in die Sonne legen. Er trocknet, wird wieder leichter. Auch wenn es durch eine gedämmte Wand nicht hindurchzieht (sie ist luftdicht), ist sie zugleich wasserdampfdiffusionsoffen. Dass gedämmte Wände "absaufen" können, ist auch "falsches Wissen". Manchmal ist es so einfach, weit verbreitete Irrtümer auszuräumen.
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