Wärmedämmung: Mathematik ist nicht diskutierbar
Und täglich grüßt das Murmeltier. Nun ist also auch die FAZ am vorigen Wochenende auf den Wir-machen-Fassadendämmung-runter-Zug aufgesprungen, nachdem sich Anfang Januar das ARD-Magazin MONITOR an derselben Thematik abgearbeitet hatte (und zuvor das ZDF) und sich allesamt bei Licht betrachtet damit keinen Gefallen taten.
Letztlich geht es nur um Mathematik und die ist nicht diskutierter. 1 plus 1 ist nun mal 2. Ob man das gut findet oder eben nicht.
Jetzt also die FAZ: Worum geht es? Kurz gesagt darum: Polystyrol-Dämmung ist giftig, verursacht Schimmel, brennt wie Hölle und ist Sondermüll. Und wir Vollidioten packen damit unsere Häuser ein und befördern unseren gesamten Gebäudebestand damit direkt auf die Sondermülldeponie. FAZ, das ist doch wohl nicht dein Ernst.
Wir haben in diesem Blog schon fast zuviel zu diesem Thema geschrieben und geben uns immer wieder alle Mühe, die entbrannte Diskussion mit klaren Argumenten zu versachlichen – was ja auch geht. Man muss nur gewillt zu sein, zuzuhören oder – wie in unserem Fall – diesen Blog aufmerksam zu lesen.
Erstens: Niemand wird gezwungen, sein Haus zu dämmen. Es gibt aber gute Gründe fürs Dämmen. Ganz vorne steht die Energieeffizienz mit dem langweiligen aber so wichtigen Begriff „Energie sparen“. Aber das weiß inzwischen jeder. Denn Heizöl und Gas sind ebenfalls ein „Teufelszeug“, dessen Verbrennung man mit Wärmedämmung (nicht nur aus Polystyrol) massiv reduzieren kann. Man könnte jetzt viele Sachargumente auflisten. Das haben wir aber schon so oft getan und möchten uns jetzt einfach nicht wiederholen.
Heute möchte ich die negative Berichterstattung – vor allem die Fernsehberichterstattung – rund um die Wärmedämmung von einer anderen Seite beleuchten. Aus Sicht der Redaktion. Dies kann ich tun, da ich selbst seit rund 15 Jahren im TV-Geschäft aktiv bin und weiß, wie man Sendebeiträge anfertigt. Oft genug habe ich als Redakteur gearbeitet aber auch selbst sogenannte O-Töne in die Kamera gesprochen.
Da steht man dann als Experte vor der Kamera und der Redakteur sagt so Sachen wie „Ronny, kannst Du mal in 30 Sekunden sagen, worauf es bei einer Wärmedämmung ankommt?“ Eigentlich müsste man diese Frage mit „Nein“ beantworten, doch dann wären die Dreharbeiten schon beendet. 30 Sekunden? Selbst 30 Minuten sind schon arg knapp. Also versucht man alles, wirklich alles, was man je über Wärmedämmung gelernt hat, in 30 Sekunden zu packen. Höchste Konzentration, wir sind so weit, Kamera läuft ... und ... bitte: Und dann legt man los.
Natürlich passiert es, dass man sich verhaspelt, einen Gedanken vergisst und nochmals neu ansetzt. Schnitt! Und manchmal erzählt man sogar dummes Zeug, weil man hin und wieder auch den Faden verliert. Und irgendwann eröffnet man mit seiner Wupper einen Nordpol in der Herrenboutique. Ja, Loriot hat es auf den Punkt gebracht. Bei Kinofilmen nennt man die Versprecher „Outtakes“, die als Bonusmaterial zur DVD mitgeliefert werden. Alles sehr spaßig, da es dem Zwecke der Unterhaltung dient.
Doch was am 9. Januar 2014 die Sendung MONITOR offensichtlich gemacht hat, war vermutlich das bewusste Senden der Outtakes, das genüssliche Zelebrieren der Versprecher, weil der Anwendungstechniker oder der Experte während der Dreharbeiten mal kurz den Faden verloren hatten. Alle Fragen, die MONITOR stellte, hätte man seriös beantworten können, da es sich immer nur um Technik, Physik, Wahrscheinlichkeiten und Mathematik drehte. Wenn man will, kann man alles dramatisieren oder alles verharmlosen. In dem Fall: DRA-MA-TIK!!!!
Wenn ernsthaft danach gefragt wird, wieviel Prozent Raumwärme durch eine Fassade verloren gehen kann, dann zeigt die Fragestellung, dass der, der fragt, nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung davon hat, wovon er spricht. Denn es gibt keine festen Prozentzahlen zu diesem Thema. Man stelle sich bitte Folgendes vor: Ein eingeschossiges Haus hat ein löchriges Dach, viele klapprige, 50 Jahre alte Einscheibenfenster und eine hochgradig gedämmte Fassade, durch die fast keine Wärme mehr hindurchgeht.
Der Anteil der Wärmeverluste, den die Fassade verursacht, liegt in diesem Fall bei weit unter 10 Prozent. Nun drehen wir die Situation um: hochgedämmtes Dach, ganz wenige, kleine Super-Dreifachfenster, mehrgeschossige, ungedämmte, massive Backsteinfassade mit Fugen und Ritzen. Jetzt liegt der Fassadenanteil bezüglich der Wärmeverluste bei über 90 Prozent. Entsprechend hoch ist dort das Einsparpotential durch eine Fassadendämmung. Mathematik ist nicht ...
Die Frage, wieviel Einsparung prozentual durch eine Fassadendämmung erreicht werden kann, hängt immer von der Geometrie und vom Zustand des Gesamtgebäudes ab. So eine Information wünsche ich mir von MONITOR oder von der FAZ.
Wenn „seriöse“ Redaktionen Botschaften kommunizieren, die ganz sicher nicht im Sinne der Sache und schon gar nicht im Sinne der interviewten Personen sind (wer steht schon gerne als Blödmann da?), wenn man ganz offensichtlich nur „Stimmung“ machen möchte und hierfür andere vorführt, dann ist das einfach nur fies.
Schlussgedanke: Wir werden immer älter. Ich bin heute 50 Jahre alt und ich kann mir ausmalen, dass wir in 30 Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge millionenfach zuhause oder im Pflegeheim sitzen und ihrem Lebensabend entgegenschauen, dies nicht in Energieschleudern, sondern in energieeffizienten Gebäuden tun sollten, wenn wir nicht einen Großteil unserer schmalen Rente verheizen wollen (alternativ: Frieren bis der Arzt oder der Bestatter kommt). Ich habe mein Haus mit Polystyrol gedämmt, um meine Heizkosten für immer und ewig zu minimieren. Das ist ein wichtiger Pfeiler meiner Altersvorsorge. Wer hier Ängste schürt, handelt unverantwortlich. Vor allem mit Blick auf die Überalterung der Gesellschaft. Eine sachliche Diskussion ist überfällig.
Anmerkung der Redaktion: Wie sachlich im TV berichtet wird, zeigt der Autor zum Beispiel in dieser Sendung des hr.
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