Armin Scharf

Upgrade für die Dämmung

Armin Scharf, 22. November 2016

Was tun, wenn die Dämmung nicht mehr den aktuellen Anforderungen der Energieeffizienz entspricht? Abreißen und neu dämmen? Neben dieser Radikalkur macht eine andere Option die Runde, sie nennt sich Aufdopplung und wird von den Herstellern als das Mittel der Wahl gepriesen. Doch ist es das wirklich?

Nehmen wir mal an, Sie hatten schon immer ein Faible für Energieeffizienz, geringe Betriebskosten und für Umweltschutz. Vor vielleicht zwei oder drei Jahrzehnten haben Sie daher in die Dämmung Ihres Gebäudes investiert und dabei gute Erfahrungen gemacht. Nun aber steht eine Renovierung der Fassaden an. Neue Farbe soll drauf, das Haus ein frisches Gesicht bekommen, denn inzwischen hat sich Ihr Verhältnis zu Weiß etwas verändert, heute stehen Sie mehr auf, sagen wir, Grau.

Bei der Gelegenheit fällt Ihnen auf, dass die Dämmung zwar noch völlig intakt ist, aber nicht mehr so ganz den aktuellen Standards entspricht. Sprich: Heutige Effizienzvorgaben setzen besser gedämmte Außenhüllen voraus. Ein Upgrade wäre durchaus sinnvoll, aber wie soll das gehen? Altes Dämmsystem abbauen, neues dran? Zu Recht bereitet Ihnen der Gedanke Kopfschmerzen, ein intaktes Produkt kurzerhand durch ein neues zu ersetzen und dem großen Berg an Bauabfällen neue Nahrung zu geben. Ganz abgesehen davon sind die Kosten unter dem Strich auch nicht unerheblich. Also bleibt es allein bei der optischen Auffrischung.

Dieses Szenario vor Augen haben Entwickler bei den Herstellern von Wärmedämm-Verbundsystemen nach anderen Wegen aus dem Dilemma gesucht. Und sie haben eine zunächst sehr simpel anmutende, aber ungemein pragmatische Lösung gefunden. Man belasse das alte System auf der Fassade und lege ein weiteres darüber. Aufdopplung nennt sich diese Idee, die inzwischen soweit perfektioniert ist, dass allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen erteilt wurden – die offizielle Freigabe durch offizielle Prüfstellen.

Der Effekt liegt auf der Hand: Die Abrisskosten entfallen, die Ressourcen, die im ersten Dämmsystem stecken, lassen sich weiter nutzen, was die Ökobilanz und auch die Amortisation optimiert. Alles, was die Nutzungsdauer verlängert, wirkt sich bekanntlich positiv auf diese Schlüsselwerte aus. Das kann die regelmäßige Prüfung und Pflege von Wärmedämm-Verbundsystemen sein oder aber die erwähnte Ertüchtigung per Aufdopplung.

Besonders wirtschaftlich, so die Hersteller, sei die Aufdopplung, wenn sowieso eine Renovierung ansteht – dann fallen die Kosten für Gerüstbau und Deckbeschichtung ohnehin an, die Investition für die zweite Dämmschicht relativiere sich erkennbar. Prinzipiell stimmt dies, dennoch ist eine genaue Betrachtung des Einzelfalls sinnvoll. Denn unabdingbare Voraussetzung ist die Tragfähigkeit des vorhandenen Systems, die nur der Fachmann prüfen und bewerten kann. Auch das Mehr an Energieeffizienz vermag er klar auszurechnen – zusammen addiert sich dies zu klaren Entscheidungsgrundlagen.

Übrigens kommt es nicht darauf an, welchen Dämmstoff das Altsystem nutzt: Es lassen sich sowohl mineralische wie auch organisches Systeme, also solche auf Basis von EPS-Dämmplatten upgraden – übrigens auch in Form von EPS auf Mineralwolle oder umgekehrt.

Elegant ist die Lösung der Aufdopplung allemal – neue Optik plus ertüchtigte Funktionalität zu überschaubaren Kosten, was will man mehr. Doch hält die Konstruktion wirklich? Ja, sagen die Experten. Schließlich werde das neue System ganzflächig verklebt und per Dübelung kraftschlüssig mit dem Mauerwerk verbunden.

Aber kann das Haus so überhaupt noch atmen? Ach ja, das alte Klischee… Vermutlich können selbst Generationen von Bauphysikern diese Legende nie ausräumen. Mauerwerk atmet nicht, auch Luftfeuchtigkeit aus dem Raum wird nicht durchgeleitet, allenfalls zwischengepuffert, um es später wieder in den Raum zurückzuleiten. Ein „atmendes“ Gebäude tauscht Luft über Ritzen, Undichtigkeiten, Spalten – aber nicht durch die massive Außenwand, egal ob dort noch ein WDVS vor Energieverlust schützt oder nicht.

 

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