Kein Märchen: Entsorgung von Styropor kein Problem
Drohen uns riesige Müllberge aus giftigem Styropor? Das konnte man jedenfalls nach der Berichterstattung eines TV-Senders und einer Tageszeitung Ende Oktober 2014 glauben. So behaupteten der NDR in einem Beitrag des Politmagazins Panorama 3 und zeitlich parallel die Süddeutsche Zeitung (SZ) in dem Artikel „Sondermüll an der Fassade“ unter anderem, dass die Entsorgung des Dämmstoffs „völlig unklar“ sei.
Liebe Hausbesitzer, die Sie die unter dem Handelsnamen Styropor bekannten expandierten Polystyrol-Dämmplatten (EPS) als Komponente eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS) an der Fassade haben oder ihren Einsatz planen, machen Sie sich diesbezüglich keine Sorgen. Das ist wieder einmal nur Panikmache, wie sie leider in der jüngeren Vergangenheit hinsichtlich WDVS schon mehrmals betrieben wurde.
Die unsachliche Berichterstattung beginnt schon mit der unkorrekten Bezeichnung von Styropor als „Sondermüll“. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diesen Begriff für EPS-Abfälle als nicht zulässig erklärt. Nach der Abfallverzeichnis-Verordnung ist Abfall aus Styropor in Verbindung mit anderen Abbruchabfällen der nicht die Umwelt beziehungsweise Gesundheit gefährdenden Abfallschlüsselnummer 17 09 04 zugeordnet.
Die Wahrheit ist eben oft unspektakulär und ungeeignet für knallige Schlagzeilen. Franz Untersteller, der grüne Umweltminister von Baden-Württemberg hat in einem Spiegel-Interview zu den verschärften Ökoauflagen des Bundeslandes den baulichen Wärmeschutz verteidigt und unter anderem auch die pauschale Verdammung von Styropor verurteilt. „In den Kühltheken der Supermärkte wird sogar Fleisch oder Fisch in Styroporschalen angeboten. Da regt sich keiner auf. Aber wenn es um das Thema Wärmedämmung geht, wird Styropor plötzlich als gefährlicher Sondermüll deklariert“, so Untersteller. „Das ist Quatsch“.
Einen wirklichen Grund zur Sorge bietet auch das von den Medien als giftig bezeichnete HBCD nicht. Richtig ist, dass EPS-Dämmstoffe wie auch andere Baumaterialien aus Brandschutzgründen zumindest in der Vergangenheit mit einem sehr geringen Anteil dieses Flammschutzmittels ausgestattet waren. Deshalb gehen aber von den EPS-Dämmplatten weder bei der Produktion noch bei der Verarbeitung gesundheitliche Gefahren für Hersteller und Handwerker aus. Gleiches gilt für die Bewohner eines mit EPS wärmegedämmten Gebäudes. Das Bundesumweltministerium konstatiert, das bei korrekter Entsorgung kein Gesundheits- und Umweltrisiko besteht. Außerdem ist seit August 2017 keine Sondergenehmigung für die Ensorgung von HBCD-haltigen EPS-Platten mehr notwendig.
Die deutschen Dämmstoffhersteller haben außerdem auf die Einstufung des HBCD als „besorgniserregender Stoff“ durch die UN-Chemikalienkonferenz besonders schnell reagiert und ihn nach Angaben des Gesamtverbandes Dämmstoffindustrie bis Ende 2014 durch ein neu entwickeltes, absolut unbedenkliches Flammschutzmittel ersetzt. Deutschland gehört hier übrigens zu den Vorreitern, denn das Verwendungsverbot von HBCD greift per Beschluss erst ab Sommer 2015.
Die Entsorgung von Styropor beziehungsweise EPS-Dämmplatten stellt zudem entgegen der Darstellung in den oben genannten Medien definitiv kein Problem dar. Das hat eine im Januar 2015 während der BAU in München vorgestellte Studie des Fraunhofer Instituts für Bauphysik aus Holzkirchen (IBP) zum Thema Rückbau, Recycling und Verwertung von WDVS ausdrücklich festgestellt. Die vom NDR und der SZ prognostizierten Abfallberge aus Styropor wurden dabei als reine Fantasie entlarvt. So beträgt das Abfallaufkommen aus EPS-Dämmstoffen im Bereich Bau aufgrund der langen Nutzungsdauer von WDVS aktuell nur 0,2 Prozent der gesamten Bau-Abbruchabfälle.
Dieser Anteil ist also vergleichsweise unbedeutend. Noch deutlicher wird das aus einer Gesamtbilanz: Bei einem Gesamtabfall von 390 Millionen Tonnen entfallen nur rund 10.000 Tonnen auf EPS-Abfall aus Wärmedämmverbundsystemen. Zwar wird in den nächsten Jahren der EPS-Abfall zunehmen. Die zurzeit rund 80 deutschen Müllverbrennungsanlagen können aber auch die zukünftig entstehenden EPS-Abfallmengen mühelos bewältigen. Eine Deponierung von Dämmstoffen ist daher nicht erforderlich.
Ein Download der Studie kann für interessierte Blogleser über die Website www.heizkosten-einsparen.de erfolgen. Eine inhaltlich kürzere, sehr informative Darstellung zum Thema Entsorgung von WDVS liefert auch ein unter www.mappe.de/entsorgung-von-wdvs-nach-gebrauch-zurueck/ erhältlicher Beitrag. Abfall aus EPS-Dämmung ist danach kein speziell zu behandelnder Müll und kann grundsätzlich sowohl rohstofflich wie energetisch verwertet werden.
Laut IBP-Studie liegt die Präferenz aus wirtschaftlichen Aspekten zurzeit noch auf der energetischen Verwertung durch Verbrennung, wobei das Flammschutzmittel HBCD komplett und ohne Gefährdung der Umwelt zerstört wird. Zukünftig werden aber alternativ ökonomisch effektive Entschichtungsverfahren zur Wiederverwertung einzelner WDVS-Komponenten an Bedeutung gewinnen.
Fazit: Wieder einmal haben Medien beim Thema WDVS ihren Zuschauern bzeihungsweise Lesern Märchen aufgetischt. Angesichts der überwiegend negativen Berichterstattung über den baulichen Wärmeschutz wundere ich mich über diese schamlosen Übertreibungen oder falschen Behauptungen schon nicht mehr.
Ich appelliere an Autoren und Redakteure, insbesondere bei der Bearbeitung von wissenschaftlichen Themen wie WDVS, die Regeln des journalistischen Handwerks zu beachten. Bei allem Verständnis für Aufmerksamkeit erregende Schlagzeilen sind Kernaussagen doch bitte sorgfältiger zu recherchieren. Fundierte Aufklärung statt unsachlicher Polemik wäre im Interesse der Verbraucher für die Zukunft wünschenswert.
Kommentare