Graue Energie von Dämmstoffen

03. Juni 2019

Von Dämmkritikern wird immer wieder behauptet, dass sich in Bezug auf die Energie der Herstellung eine stärkere Wärmedämmung nicht lohne. Um diese These zu prüfen, bietet es sich an, dies anhand von energetischen Bilanzierungen nach DIN 4108/4701 für die verschiedenen KfW-Effizienzhausstandards zu untersuchen. Dabei wird betrachtet, wie viel Primärenergiebedarf bei verschiedenen energetischen Dämmstandards anfällt.

Der Primärenergiebedarf wird anschließend mit dem des EnEV-Referenzgebäudes verglichen. Die Berechnung erfolgt auf der Basis des Dämmstoffs EPS, der mit einem Primärenergieinhalt von 500 kWh/m³ (ohne Gutschrift für energetische Weiterverwertung) angesetzt wird.

Als Bezugsdauer für den Primärenergiebedarf werden 20 Jahre angesetzt. Die Berechnung erfolgt für Neubauten im Vergleich EnEV gegen KfW 40-Standard mit verschiedenen Dämmstärken.
Daraus ergeben sich folgende energetische Amortisationszeiten der zusätzlichen Dämmstoffstärken in Kombination mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe gegenüber der EnEV-Ausführung mit Gas-Brennwert-Heizung zur Erfüllung der Anforderungen aus der EnEV 2016:


Aus den Ergebnissen lässt sich klar erkennen, dass die „energetische Amortisationszeit“ der Wärmedämmung für die Varianten mit Luft-Wasser-Wärmepumpe bei unter zwei Jahren liegt.
Die vorletzte Variante berücksichtigt zusätzlich eine Photovoltaikanlage. Als letzte Variante wurde die Ausstattung mit Photovoltaikanlage und Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung betrachtet. Dadurch verringert sich der Bedarf an Strom für den Betrieb der Wärmepumpe mit einem Primärenergiefaktor von 1,8 zusätzlich, was dazu führt, dass sich die energetische Amortisationszeit auf bis zu zirka 3,5 Jahre erhöht.

Im folgenden Diagramm wurde die Primärenergieersparnis beim Heizen durch die zusätzlich nötige Primärenergie für die stärkere Wärmedämmung (graue Energie) gegenüber dem EnEV-Referenzgebäude dividiert.


Für die Varianten mit zunehmend mehr Wärmedämmung sinkt das Verhältnis Primärenergieersparnis im Betrieb zur zusätzlichen Wärmedämmung leicht von zirka fünf auf drei ab, dafür steigt es für die Varianten mit Photovoltaik und zusätzlicher Lüftungsanlage auf das 6-fache. Dafür wurde für die Variante Luft-Wasser-Wärmepumpe/Abluftanlage eine PV-Anlagengröße von 30 Quadratmetern und für die letzte Variante mit kontrollierter Wohnraumlüftung (KWL-WRG) eine Anlagengröße von 40 Quadratmetern berücksichtigt.

Dicke Dämmstärken und erneuerbare Heizenergien sind ein gutes Team

Zusätzliche Dämmstärken rechnen sich also insbesondere dann, wenn für die KfW-Effizienzhausstandards 55 und 40 (plus) erneuerbare Energien zur Beheizung – zum Beispiel Wärmepumpe plus Photovoltaik genutzt werden und diese Primärenergieeinsparung mitberücksichtigt wird.

Damit ist eine gute Wärmedämmung die primärenergetische Investition in die Gebäudehülle, die es ermöglicht, im Betrieb möglichst hohe Anteile erneuerbarer Energien, gegebenenfalls sogar über Saisonalspeicher in Kombination mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe plus solarthermischer Anlage plus Photovoltaik zu nutzen. Wenn schon bei der vergleichenden Betrachtung von Neubauten das Ergebnis zugunsten eines möglichst hohen Dämmstandards (mindestens KfW 55, besser KfW 40) ausfällt, wird das Pendel bei der energetischen Sanierung noch deutlicher ausschlagen. Denn durch die Sanierung wird einerseits durch die Wärmedämmung der Energiebedarf deutlich reduziert, andererseits wird durch effizientere Möglichkeiten der Beheizung und eine mögliche Absenkung der Heizkreistemperaturen auch die Anlagenaufwandszahl der Heizung geringer.

In Bezug auf die graue Energie der Herstellung wurde in der Publikation „Graue Energie von Neubauten – Ratgeber für Baufachleute“ von Energie-Schweiz herausgearbeitet, dass sich bei üblichen Dämmstärken bis 26 Zentimeter die Gesamtenergiebilanz aus grauer Energie für die Dämmstoffe und Heizenergie im Minimalbereich bewegt. Solche Gesamtenergiebedarfskurven werden in der nächsten Grafik für die Dämmstoffe EPS, Schaumglas und Zellulose im Vergleich dargestellt. Da Zellulose ein nachwachsender Rohstoff mit geringem Anteil grauer Energie ist, nimmt der Gesamtenergiebedarf selbst bei höheren Dämmstärken immer weiter ab, weil mehr Energie für die Beheizung eingespart wird, als Energie für die Dämmstoffherstellung erforderlich ist.



Fazit


Insgesamt deuten sowohl die eigene Betrachtung als auch die Veröffentlichungen von Energie Schweiz darauf hin, dass bis zu Dämmstärken von 30 Zentimetern für EPS der Primärenergiebedarf für Heizung und Dämmung insgesamt minimal ist. Wie stark am Ende gedämmt werden soll, bleibt dem Bauherrn überlassen, je nachdem, wie autark er sein Haus wünscht, doch KfW 55- oder besser KfW 40-Standard sollte es schon sein.

Es ist zu diskutieren, ob eine Grenzwertbetrachtung generell sinnvoll ist, oder ob besser das Gesamtsystem Haus beispielsweise im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse zu betrachten ist. Dabei wirken sich einerseits eine hohe Dämmung und andererseits die Wahl eines möglichst effizienten Heizsystems unter Nutzung möglichst hoher Anteile erneuerbarer Energien positiv auf einen insgesamt geringen Primärenergiebedarf des Hauses aus. Zudem sorgt auch ein optimierter Entwurf mit möglichst kompakter Bauweise (günstiges A/V-Verhältnis) und maßvollen Fensteranteilen (sommerlicher Wärmeschutz!) für minimale Heizwärme- und Kühlbedarfe bei möglichst geringen Bau- und Folgekosten.

Je energieintensiver ein Dämmstoff in seiner Herstellung ist, desto eher müsste ein primärenergetischer Ausgleich über die Beheizung auf Basis erneuerbarer Energien erfolgen. Ein minimaler Primärenergiebedarf wird über die Nutzung nachwachsender Dämmstoffe wie Zellulose, die Verwendung von Holz als Baustoff und die Nutzung erneuerbarer Energien für die Beheizung erzielt.
Bei der Betrachtung von Baustoffen sind neben der Primärenergie für die Herstellung aber auch Langlebigkeit, die CO2-Bilanz und die Folgekosten sowie die Entsorgung zu betrachten, was hier jedoch Folgebeiträgen vorbehalten bleibt und den inhaltlichen Rahmen gesprengt hätte.

Eileen Menz

Die Autorin: Eileen Menz hat an der Hochschule Lausitz in Cottbus (jetzt BTU) im Masterstudium Klimagerechtes Bauen und Betreiben studiert und 2015 die Weiterbildung Energieberatung für Baudenkmäler absolviert. Seit 2016 ist sie freiberuflich als Energieberaterin und Planerin für Gebäudetechnik tätig.

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