Warum sich Energieeffizienz auch bei niedrigem Ölpreis lohnt
„Billiges Öl dämpft Lust auf Sanierung“ titelte Journalist Richard Haimann Anfang September in der „Welt“. Tatsächlich stellt sich nach dem Lesen eine gewisse Unlust ein. Nicht, weil der Heizölpreis vom unverschämt hohen, viele Menschen extrem belastenden Preis von fast einem Euro pro Liter auf „bodenlose“ 60 Cent gefallen ist und sich damit Energiesparen angeblich nicht mehr lohnen würde. Sondern, weil Haimann – wie schon in all seinen dämmkritischen Artikel zuvor – Unwahrheiten auftischt, Wissenswertes auslässt und Zusammenhänge verwischt. Im Klartext: Ich habe eigentlich keine Lust mehr, solche Artikel Jahr für Jahr lesen zu müssen.
Es ist wie in der Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Im Film beginnt für den Hauptdarsteller täglich die identische Handlung aufs Neue. Bei Haimann hat jeder Artikel im Immobilienressort denselben Handlungsstrang: Wärmedämmung ist per se schlecht. Quod erat demonstrandum. Oh je!
In seinem aktuellen Artikel schreibt Haimann nun über Agnes und Hans Koloschie, ein Senioren-Ehepaar aus Hamburg, das sich gegen eine Fassadendämmung ihres in die Jahre gekommenen Eigenheims entscheidet. Der Mann ist 76 und Ingenieur im Ruhestand. Er weiß also, was er tut. Er erläutert, dass die KfW zwar zum 1. August 2015 ihre Fördergelder aufgestockt hat. Doch dann folgt das große Aaaaaber: „Um das Eigenheim auf den Stand eines KfW-Effizienzhauses 55 zu bringen, müssten wir mehr als 110.000 Euro aufwenden“, wird der Hauseigentümer zitiert. Und solch eine hohe Summe wollen die betagten Leute nicht mehr investieren, auch nicht mit Zuschüssen der KfW. Zumal sich die mit 30.000 Euro veranschlagte Außenwanddämmung ohnehin erst in 50 Jahre rentieren würde, behaupten Haimann und der Ingenieur.
DAS. IST. QUATSCH. Man kann es nicht anders sagen.
Sachlich aufgeklärt: Ehepaar Koloschie muss ja nicht gleich das ganze Haus anpacken. Eine Einzelmaßnahme tut es auch. Hier gibt es von der KfW die Möglichkeit des Tilgungszuschusses von 7,5 Prozent. Das aber verschweigt Haimann.
Haimanns Ich-mache-die-Dämmung-schlecht-Rechnung geht so oder so nicht auf. Denn mittels Tilgungszuschuss kostet die 30.000 Euro-Dämmung noch knapp 28.000 Euro. Wirtschaftlich spart diese über den Zeitraum von 20 Jahren (8,4 x U x A = 84 x 1 x 250) volle 2.100 Liter Öl pro Jahr ein. Jedes Jahr! In 20 Jahren also 42.000 Liter. Doch dann ist die Dämmung immer noch vorhanden, so dass es ab dem 21. Jahr für das Ehepaar dicke Gewinne gibt – die Dämmung ist dann vollständig abgezahlt. Wer weiß denn heute schon, wo in 20 Jahren die Energiepreise liegen? Sollte das Ehepaar Koloschie dann noch leben, werden sie sich über jeden eingesparten Liter Heizöl freuen, sofern sie in einem gedämmten Haus wohnen.
Dämmen sie jetzt nicht, werden sie sich grün und blau ärgern, dass sie im Jahr 2015 bei optimalen Zuschüssen und Mini-Zinsen ihr Haus nicht modernisiert haben. Was machen Koloschies eigentlich, wenn sie 95 Jahre alt werden und im Jahr 2035 merken, dass ihr Haus komplett runtergeranzt ist und ein Liter Heizöl 1,50 Euro kostet? Dann MÜSSEN sie sanieren. Mann kann das Ehepaar jetzt schon bedauern. Und sollten Koloschies nicht so alt werden … dann erben die Kinder eine wertvolle, Top-Immobilie - und nicht einen energetischen Totalschaden, den sie dann entweder billig verkaufen oder selbst sanieren müssen.
Zurück zu Haimann: Der Kredit für Koloschies Fassadendämmung würde pro Jahr rund 1.500 Euro kosten (niedrige Zinsen können über einen Bausparvertrag vom 11. bis zum 20. Jahr gesichert werden). Bei den derzeitigen 60 Cent pro Liter Heizöl sparen Koloschies (2.100 x 0,60) 1.260 Euro pro Jahr. Ab einem Heizölpreis von 70 Cent pro Liter stehen sie mit Dämmung besser da als ohne. Kann Richard Haimann garantieren, dass Heizöl niemals mehr über die 70-Cent-Marke springt? Wenn „nein“, dann ist sein Beitrag unverantwortlich.
Rückblick: Im Jahr 2000 jagten die Heizölpreise von umgerechnet 22 Cent rauf auf ziemlich genau 50 Cent pro Liter. „Heizen ist teuer wie nie“ schrieben damals die Zeitungen. In der zweiten Jahreshälfte 2008 fielen die Heizölpreise von 98 Cent auf auch wieder fast genau 50 Cent pro Liter. Nur diesmal kamen wir von oben. Was schrieben die Zeitungen? Genau: „Heizen wird immer billiger“.
Jetzt, erneut fast acht Jahre später (ist hier etwa ein Zyklus erkennbar?), haben wir die nächste Preis-Achterbahn-Runterfahrt hinter uns (wir kommen aktuell von 96 Cent pro Liter im Oktober 2012) und dürfen gespannt sein, wann es wieder bergauf geht. Echte Experten sprechen inzwischen von einem „Energiepreis-Korridor“, der zwischen 50 und 100 Cent pro Liter Heizöl liegt. Mittelwert 75 Cent. Lohnt sich da eine Dämmung? Diese Frage können sogar Laien beantworten.
Ganz abgesehen davon – auch das erwähnt Haimann mit keinem einzigen Wort – bringt ein hochmodernisiertes Haus auch einen hohen Wohnkomfort mit sich. Zumal es für den altersgerechten Umbau eines Hauses noch einmal Fördermittel von der KfW gibt. Das Zuschussprogramm 455 legt für private Eigentümer, die Wohnraum barrierereduziert umbauen, bis zu 5.000 Euro drauf.
Schon würde die Rechnung noch einmal anders aussehen. Nochmal: Es ist einfach unverantwortlich, was Richard Haimann schreibt.
Nicht zu vergessen ist auch, dass der Schutz der Haussubstanz verbessert wird und der Wert der Immobilie nach einer Sanierung kräftig steigt. Warum denn nicht der nächsten Generation eine gesunde Immobilie vermachen?
Über den eigenen Beitrag zum Klimaschutz, Unabhängigkeit von Energiepreisen, die mit Sicherheit wieder massiv ansteigen werden, möchte ich mich hier gar nicht äußern. Diese Vorteile einer energetischen Gebäudesanierung sind wahrscheinlich so banal und jedermann einleuchtend. Warum Haimann diese Vorteile in seinem Beitrag komplett unter den Tisch fallen lässt, ist mir ein Rätsel.
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