Wärmedämmverbundsysteme sind kein Sondermüll
Als Antwort auf meinen Beitrag „Der Wahnsinns-Journalismus geht weiter“ gab es einige interessante Kommentare. Zunächst mal dafür ein dickes DANKESCHÖN. Was wir dringend brauchen, ist eine (sachliche) Diskussion zum Thema „Wärmedämmung“ oder besser noch zum Thema „Ganzheitliche Modernisierung“.
Und zur Ganzheitlichkeit gehört dann eben nicht nur auch die Betrachtung der Fenster und der Haustechnik, sondern natürlich auch die Ökobilanz der verwendeten Baustoffe, verbunden mit der Frage, was eigentlich passiert, wenn das Haus irgendwann abgerissen wird. Stichwort „Müll“, gerne auch „Sondermüll mit Fragezeichen“.
Erstaunlich, wie schnell die Dämmkritiker zu ausgewachsenen Umweltschützern werden, wenn sie das Argument der „schwierigen Recyclingfähigkeit“ aus dem Hut zaubern und gern das Bild von gigantischen Müllbergen aus Polystyrolplatten in unsere Köpfe projizieren möchten.
Ich bin ein großer Freund der Realität: Ich weiß nicht, wie es in anderen Dörfern oder Städten aussieht. Hier bei uns ist es so, dass nicht jeden Tag ein Haus abgerissen wird. Die meisten – nein: fast alle – Häuser hier stehen seit zig Jahren und werden wohl noch einige Zeit auch stehen bleiben. Ich habe auch noch nirgends beobachten können, dass eine alte Wärmedämmung irgendwo runtergerissen wird. Eher wird eine alte, dünne Dämmung dicker gemacht. Dafür gibt es bereits ausgereifte Systeme, damit Dünndämmer aus den Siebzigern zu Vernünftigdämmern von heute werden können.
Wärmedämmung ist Sondermüll? Ich würde behaupten wollen, dass diese Art des Mülls verglichen mit anderen Müll-Quellen von der Gummibärchen-Tüte bis zur Flachbildschirmverpackung so gut wie gar nicht vorkommt.
Seit 50 Jahren gibt es Wärmedämmverbundsysteme, die noch viele Jahre halten dürften. Ich bin sicher, dass meine nagelneue Dämmung 100 Jahre lang ihre Dienste leisten wird. Und sollte die Oberfläche vielleicht in 70 Jahren nicht mehr ganz so jugendlich daherkommen, gibt es bestimmt einen 1-A-Deck-Schutzputz, damit die Dämmplatten das Haus weiter mollig warm halten. Vielleicht lesen ja meine Ururenkel diesen Beitrag ... sie werden es dann genau wissen.
Bei dieser WDVS-Sondermüll-Diskussion muss ich immer an den Atommüll denken. Hat man uns nicht vor 30, 40 Jahren versprochen, dass man spätestens im Jahr 2000 das Endlagerungsproblem gelöst haben wird? Man hat inzwischen Internet und Smartphone entwickelt, gigantische technische Meisterleistungen. Beim Atommüll kratzt man sich immer noch am Kopf und überlegt, wie man die Kiste dicht bekommt. Wie wär's mit „Atomkraftwerke abschalten und rigoros auf Energieeffizienz“ setzen? Ach so, stimmt, da ist ja das Recyclingproblem der Polystyrolplatten.
Erstens forscht mittlerweile das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen nach einer wirtschaftlichen Methode der Wiederverwertung, die aktuell – zweitens – noch nicht vorhanden ist weil – Achtung – viel zuwenig „WDVS-Müll“ anfällt. Zu Deutsch: wo kein Problem ist, da gibt es auch noch keine Lösung.
Noch ein Gedanke: Wenn ein Öltanker im Ozean auseinanderkracht, verseucht er für Jahrzehnte ganze Küstengebiete. Hätten wir unsere Häuser alle ordentlich gedämmt, würde die Anzahl der Öltanker auf den Weltmeeren zurückgehen. Die Gefahr von Öl-Unfällen ginge dann automatisch auch zurück. Der Sorge, in 50 bis 100 Jahren Polystyrolmüll gezielt entsorgen (und wieder verwerten) zu müssen, steht aktuell das Problem die realen Gefahr von Tankerunglücken.
Mark machte hier im Blog am 10. Dezember 2012 auch ein interessantes Fass auf. Er sagt:
Würde man nach 30 Jahren bereits ein Wärmedämmverbundsystem auf einmal entsorgen, dann entspricht das einer monatlichen Menge von etwa 300 Gramm im Gelben Sack.
Stellen Sie sich nun bitte diese 300 Gramm im Gelben Sack vor und machen Sie sich klar, dass dieser Müll immerhin 30 Jahre lang Energie gespart hat, während anderer Gelber-Sack-Müll nur für ein paar Tage als Verpackung diente.
In diesem Sinne ein beschauliches Weihnachtsfest. Achten Sie doch mal drauf, wie viel Müll bei Ihnen an Heilig Abend anfällt: Vom Gänsebraten bis zur Geschenkverpackung. Umweltschutz?
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