Unnötige Sorgenfalten und überflüssige Polemik
Lange haben wir nichts mehr über brennende Fassaden gehört. Nachdem in der ARD die x-te Wiederholung mit dem Titel “Wahnsinn Wärmedämmung” lief, in der zu Bildern von brennenden Fassaden dringend vor Wärmedämmverbundsystemen gewarnt wurde, scheint das Interesse an solchen “Reportagen” offenbar nicht mehr besonders groß zu sein.
Sehr wahrscheinlich auch, weil die Redakteure Schwierigkeiten haben, wenigstens einen neuen Fall von Fassadenbrand zu recherchieren, um nicht immer wieder dieselben abgenudelten Bilder senden zu müssen.
Jetzt sprang zur Abwechslung mal das ZDF auf das totgerittene Pferd, um sich einen letzten Rest vom Quoten-Kuchen abzuschneiden und brachte gestern Abend einen Beitrag mit dem Titel “Dämmwahn”. Schon die Wahl des Titels – eine phantasielos umgebaute Variante der alten ARD-Schlagzeile – dokumentierte die Lieblosigkeit und auch die Absicht, mit der man an den Beitrag herangegangen ist.
Auf das kommentarlose Runterspulen der alten, allgemein bekannten “Nicht-mal-Halbwahrheiten” (Dämmung lohnt sich nicht, Spechtschäden, Algen, Schimmel) ohne irgendeinen vernünftigen Kontext in überflüssiger Polemik will man gar nicht mehr eingehen. Sie sind das Gegenteil von Bildungsfernsehen und einfach nur ärgerlich. Vielleicht eines: Spechtschäden lassen sich mit vernünftigen Putzdicken auf Wärmedämmverbundsystemen vermeiden. So einen Satz kann man in drei Sekunden aufsagen. Wenn man es will. Man wollte nicht. Grund genug, die schwerwiegendsten Aussagen des ZDF von gestern Abend gerade zurücken. Ein offener Brief an den Redakteur:
Lieber Stefan Hanf,
Sie hatten sich als Experten den Sachverständigen Reimund Stewen an Ihre Seite geholt. Hat sich Herr Stewen heute schon bei Ihnen gemeldet und seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, wie Sie seine Aussagen zu einem Bild voller unnötiger Sorgenfalten und Skepsis zusammengeschnippelt haben? Wenn man nämlich im Internet recherchiert, erhält man ein anderes Bild von Herrn Stewen als in Ihrem Film. Herr Stewen ist ein absoluter Befürworter der energetischen Modernisierung.
Nehmen wir nur mal die Sequenz, wie Sie sich im Filmbeitrag auf Energieberatersuche mittels Telefonbuch (!!!) begeben. Ich bin aus den Socken gekippt. Hallo: Wer inseriert denn heute noch im Telefonbuch? Wir sind im Internet-Zeitalter – dachte ich zumindest. Dass Sie auf diese Weise natürlich ein Energieberater-Fossil an Land ziehen – was soll’s!
Lieber Herr Hanf, hätten Sie doch die recht übersichtliche Internetseite www.klimamensch.de gezeigt, auf der auch IHR Experte Herr Stewen gelistet ist. Von dort gelangt man mit einem Mausklick auf die Top-Energieberater-Expertenliste www.energie-effizienz-experten.de/expertensuche. Das wäre eine Mehrwert-Information für den Zuschauer gewesen. Mich hätte es nicht gewundert, wenn Sie den Energieberater per Rauchzeichen gesucht hätten. Sorry, ich wollte sachlich bleiben. Sie haben recht.
Mit Ihrem Telefonbuch-Beispiel haben Sie aber tatsächlich ein Problem angesprochen und zurecht den Finger in eine Wunde gelegt: Dass viele Menschen nämlich hilflos sind und nicht wissen, wie sie einen guten Energieberater finden. Wie überall gibt es auch bei Energieberatern gute und schlechte. Man nennt das “Gaußsche Normalverteilung”. Nun haben Sie in Ihrem Film bewusst einen Kandidaten aus dem unteren Segment gesucht und Ihren Zuschauern vorgegaukelt, dass sei die Normalität. Dass ist nicht nur den guten Energieberatern im Land unfair gegenüber, sondern auch Ihren Zuschauern, Herr Hanf.
Und dass immer noch viele Heizungsbauer, Fensterbauer und Dachdecker als Energieberater in eigener Sache ins Haus kommen und zunächst nur ihre eigenen Produkte verkaufen wollen, ist zwar auch richtig (und nicht in Ordnung). Dennoch ist es nur die halbe Wahrheit. Sie hätten als guter Journalist ordentlich recherchieren müssen und wenigstens den Halbsatz noch anhängen können, dass sich in ganz Deutschland längst regionale Netzwerke gebildet haben, die unter der Leitung von versierten Energieberatern die energetische Modernisierung aus Sicht des Kunden anbieten und genau die Bau-Gewerke einbinden, die sinnvoll sind. Schade, diese Info hätte allen geholfen.
Anstatt aufzuklären, wurden Handwerker, Energieberater und Bauleute von Ihnen mal wieder pauschal als Geldschneider und Abzocker dargestellt. Hat das ZDF so etwas wirklich nötig?
Und dann die Sache mit den “Ohnehin-Kosten”. Wieso ist das ein Rechentrick? Jede Immobilie ist ein Vermögenswert, der “ohnehin” von Zeit zu Zeit in Stand gesetzt werden MUSS. Sonst fällt die Immobilie irgendwann in sich zusammen und ist nichts mehr wert. Es ist nicht nur richtig, sondern auch notwendig, für eine genaue Kalkulation zwischen reinen Energiespar-Investitionen und eben den “Ohnehin-Kosten” zu unterscheiden. Dass hier ein sattes PLUS rauskommt, wird als billiger Rechentrick abgetan. Sorry, Herr Hanf, hier haben Sie total versagt und eine weitere große Chance komplett in den Sand gesetzt.
Zur “Beweisführung” verwenden Sie die Kalkulationsgrößen aus der inzwischen oft zitierten “Prognos”-Studie. Bis 2050 müssen wir für die energetische Gebäudemodernisierung laut “Prognos” Kosten in Höhe von 507 Mrd. Euro tragen. Das sind pro Jahr knapp 15 Mrd. Euro. Zum Vergleich, um bei diesen Zahlen nicht den Überblick zu verlieren, ein paar andere Jahresausgaben: Militärausgaben (ca. 46 Mrd. Euro), Gesundheit (ca. 290 Mrd. Euro), Straßenbau (ca. 10 Mrd. Euro) und nicht zuletzt die Heizkosten (ca. 80 Mrd. Euro).
So, und jetzt lieber Herr Hanf: Während die Militärausgaben, die Medizinausgaben und die Milliarden für den Straßenbau und die Heizkosten “verkonsumiert” werden (also verpuffen), können wir uns die 507 Mrd. Euro zum großen Teil über eingesparte Energiekosten zurückholen und sogar noch einen Teil der “Ohnehin-Kosten” decken.
Das ist kein Trick, das ist genial!!!
Völlig aberwitzig war dann am Ende des Filmbeitrags der Hinweis, dass man statt 16 nur 8 Zentimeter dick dämmen soll, wie Expertin Minna Sunikka-Blank aus England uns Deutschen den Tipp unterjubeln will. Haben Sie denn nicht den Schabernack in ihren Augen gesehen? Wer statt 14 oder 16 nur 8 Zentimeter dick/dünn dämmt, hat zwar nahezu vollständig die identischen Kosten, dafür aber eine erheblich geringere Dämmwirkung. Wenn sich etwas überhaupt nicht lohnt, dann ist das eine 8-Zentimeter-Dämmung. Minna Sunikka-Blank gibt insgesamt ein gutes Bild vor der Kamera ab. Doch inhaltlich benötigt die Dame etwas Nachhilfe. Da reicht es auch nicht, sich mit “Universität Cambridge” zu schmücken.
Lieber Herr Hanf, eines zum Schluss. Schalten Sie doch am 30. September 2013 um 18.50 Uhr das Hessen-Fernsehen ein. In der Sendung “Service: Zuhause” geht es an diesem Tag allein um die Gebäudedämmung. Wir in der Redaktion nehmen die Aufgabe ernst und klären auf: Im Sinne der Bürger, im Sinne der Umwelt und im Sinne der Bauphysik.
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