Hinderk Hillebrands

Treiben Energieeffizienzmaßnahmen die Mieten in die Höhe?

Hinderk Hillebrands, 09. Juli 2018

Die energetische Sanierung wurde in der Vergangenheit immer wieder zur Begründung von stark steigenden Mieten im Wohnungsbau verwendet. Sind es aber tatsächlich die Baukosten einer Energieeffizienzmaßnahme, welche die Miete hoch treiben, oder sind es die Investoren, die ihre Rendite ohne Rücksicht auf das Mietklientel maximieren wollen?

Es ist unstrittig, dass eine energetische Sanierung von Gebäuden mit nicht unerheblichen Investitionen verbunden ist und sich diese rentieren müssen. Wird jedoch ein sinnvolles Sanierungskonzept für ein Gebäude entwickelt und umgesetzt, so steigert es den Wert der Immobilie, die Betriebskosten werden reduziert und der Wohnkomfort erhöht. Bei sehr umfangreichen energetischen Sanierungen kann der Energieeinsatz so stark reduziert werden, dass sich sogar eine Energiepreissteigerung kaum bemerkbar machen wird.

Die Wohnbau Gießen GmbH, eine zu 100 Prozent städtische Gesellschaft, saniert seit 2009 Wohngebäude im sozialen Wohnungsbau mit dem Ziel den Heizwärmebedarf auf unter 25 kWh Pro Quadratmeter und Jahr zu verringern. Im Rahmen der Sanierung werden die Wärmeverluste der Gebäudehülle auf ein Minimum reduziert. Die Dämmstärken betragen nach den Maßnahmen durchaus bis zu 30 cm an der Fassade und auf dem Dach auch mal mehr. Fast alle Fenster weisen einen Wärmedruchgangskoeffizient von kleiner 0,8 W/(m²*K) auf.

Die Wohnungen erhalten jeweils eine hocheffiziente wohnungszentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Dabei weisen die Fort- und Frischluftrohrleitungen minimale Längen auf; so werden die Verluste klein gehalten. Die Gebäudetechnik wird insgesamt auf ein Minimum reduziert und damit werden auch die Wartungskosten verringert. Durch den Einsatz von Fernwärme mit einem Primärenergiefaktor von derzeit 0,28 wird der Primärenergieverbrauch stark herabgesetzt.

An dem Beispiel Eichengärtenallee 110, einem Hochhaus in Gießen, nachfolgend die Veränderung der thermischen Hülle des Gebäudes:

  Vor der Sanierung

W/(m²*K)
Maßnahmen (WLG = Wärmeleitgruppe des Dämmstoffes) Nach der Sanierung
W/(m²*K)
Dach 0,5 30 cm WLG 024 0,12
Kellerdecke 1,3 12 cm WLG 024 0,17
Außenwand 1,2 30 cm WLG 035 0,105
Fenster 2,8 Kunststofffenster mit dreifacher Verglasung 0,8
Hauseingangstür 3,5 Alurahmen mit dreifacher Verglasung 1,5



Nach Umsetzung der Maßnahmen werden folgende Energiekennwerte erreicht:

Jahres-Primärenergiebedarf 11,5 kWh/(m²*a)
Jahres-Heizenergiebedarf 22,5 kWh/(m²*a)
Jahres-Endenergiebedarf 24,0 kWh/(m²*a)


Voraussetzung für den Erfolg ist die Entwicklung eines energetischen Sanierungskonzeptes, auch unter Berücksichtigung der Nutzer. Gebäudehülle und Technik müssen auf einander abgestimmt sein. Die Planung und Ausführung wird immer von Energiefachleuten begleitet und jede Veränderung ist energetisch zu bewerten. So wird zum Beispiel auch jede Wärmebrücke mit erfasst, zum Teil erst während der Sanierung, und so diese entsprechend minimiert.

Es wird nicht nur ein Luftdichtheitskonzept erstellt sondern auch umgesetzt, so dass der Luftdichtheitstest oftmals nur eine Bestätigung der hochwertigen Umsetzung ist: Selbst bei Sanierungen im bewohnten Zustand werden Luftwechselzahlen von kleiner 1,0 pro Stunde bei einer Normmessung mit 50 Pa Unter-/Überdruck erzielt. Durch eine konsequente Begleitung während der Umsetzung der Maßnahmen wird eine hohe Qualität mit dem Erfolg erzielt, dass der Verbrauch nicht weit von dem errechneten Bedarf abweicht.

Interessant ist, dass die Mieten nur moderat steigen. So lag die Durchschnittsmiete vor der Sanierung bei ca. 4,30 Euro/m², nach der Sanierung zahlen die Bestandsmieter rund 6,00 Euro /m². Bei der Neuvermietung liegen die Durchschnittsmieten bei ca. 7,50 bis 8,00 Euro pro m². Das Land Hessen fördert die Sanierung mit Passivhauskomponenten.

So liegen die Baukosten nicht höher als vergleichsweise die Sanierung zum KfW-Effizienzhaus 55. Unter Berücksichtigung der Energieeinsparungen bleibt die Warmmiete in etwa gleich. Damit sind die Wohnungen zukunftsorientiert ausgerichtet, die Auswirkungen der Energiepreissteigerungen werden in Zukunft minimal zu spüren sein.

Hingegen haben die Kosten für die Messdatenerfassung bei sehr geringen Energiebedarf einen großen Anteil. Da macht es Sinn die Kosten für die Messdatenerfassung durch Einführung von Warmmieten zu reduzieren. Voraussetzung ist, dass die Heizkostenverordnung entsprechend verändert wird, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Die Beispiele in Gießen zeigen, dass hocheffiziente energetische Sanierungen mit ungewöhnlichen Dämmstärken nicht zwangsläufig zu spürbaren Gesamtmieterhöhungen führen müssen. Die Steigerung der Mieten nach der Sanierung hängt im Wesentlichen von dem Interesse des Investors beziehungsweise Gebäudeeigentümers ab sowie von der Qualität der Planung und Umsetzung der Sanierung.

 

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