Armin Scharf

Schwarzwohner im Trend

Armin Scharf, 25. März 2013

"Fassadendämmung führt zu langweiligen, hellgrauen Einheitsfassaden!" – so schwarzmalerisch orakeln manche Dämmkritiker. Das ist schon lange falsch, den Farbvielfalt gab es für WDVS-Oberflächen schon immer – nur zu dunkel durften sie nicht sein.

Aber selbst das gilt heute nicht mehr. Dank neuer Pigmenttechnologien sind nun auch annähernd schwarze Fassaden auf Wärmedämmverbundsystemen machbar. Ein Gewinn für die Gestaltungsvielfalt.

Schwarz, so lernte man einst, sei im Grunde gar keine Farbe, sondern eine Nichtfarbe. Das hört sich heute wie angewandte Haarspalterei an, ist aber physikalisch betrachtet nach wie vor richtig. Denn während "echte" Farbwerte ihre visuelle Präsenz aus dem Zusammenspiel von Reflexion und Absorption des auftreffenden Lichtes beziehen, "schluckt" Schwarz kurzerhand alles Licht.

Das freilich ist nur die eine Seite, denn Schwarz ist für Gestalter sehr wohl eine Farbe im ästhetischen Repertoire. Mit Tradition übrigens, man denke nur an die Lackierung von Oberklasse-Limousinen, an Rollkragenpullis à la Steve Jobs oder an High-Tech-Geräte aus dem Fotobereich.

Auch die Architektur hat Schwarz entdeckt, rüstet damit Fassaden oder gleich ganze Baukuben aus. War dies bis vor kurzem nur machbar mit massiven oder hinterlüfteten Fassadenkonstruktionen, so ermöglichen neue Pigmenttechnologien dies auch in Form von Beschichtungen, sogar auf Wärmedämmverbundsystemen. Wie das, mag man sich fragen, noch den Zeigefinger jener Techniker im Blick, die nicht müde wurden, vor zu dunklen Außenflächen zu warnen?

Die nämlich rufen im sonnenbeschienen Dämmsystem thermische Probleme hervor, was über kurz oder lang heftige Schäden provoziert. Mit diesen Worten im Ohr schmollten die Planer wieder eine Weile, um dann zu einem feurigen Grau, einem unschuldigen Weiß oder banalen Bunttönen zu greifen. Was die Sache nebenbei nicht immer besser machte.

Inzwischen also hat es sich ausgeschmollt, der Techniker war wohl der desillusionierten Augen überdrüssig und hat sich etwas ausgedacht. Nämlich Pigmente mit selektivem Absorptionsverhalten. Das sind Farbteilchen, die das Licht im sichtbaren Bereich schlucken, gleichzeitig jedoch die Wärmestrahlung zu großen Teilen reflektieren. Der Effekt: Die Wand ist nahezu schwarz, aber erwärmt sich spürbar weniger, die gefürchteten thermischen Spannungen bleiben im akzeptablen Bereich. Das freut den Planer, denn endlich kann er seine Lieblingsfarbe wirtschaftlich auf seine Werke übertragen – mit Hellbezugswerten von unter 10, was knapp an der Grenze zur Totalabsorption liegt.

Weil schwarze Häuschen dennoch nicht jedermanns Sache sind, eignet sich die Nichtfarbe geradezu ideal als Abgrenzungsinstrument, als Signal der Avantgarde und der Nichtkonformität. Denn trotz der Heerscharen schwarzer Anzugsträger in Führungsebenen der Wirtschaft und Politik war Schwarz schon immer Ausdruck von Protest, Kompromisslosigkeit, aber auch Autorität und Magie.

Schwarz ist zweischneidig, kann hier edel wirken, dort aber stumpf, fehl am Platz. Und daher ist Schwarz alles andere als einfach, vor allem nicht im Kontext zu anderen Gebäuden, von denen sich ein schwarzes Bauwerk vollständig abkehrt und jeden Kontakt negiert. „Menschen, die zum Verschwärzlichen neigen“, sagt Professor Axel Buether von der Uni Wuppertal in der FAZ, "sehnen sich nach einer Art Höhlenzustand und wollen vor allem eines: ihre Ruhe." Aber dennoch: Schön, dass es Schwarz gibt, denn mehr Farben bedeuten mehr Designvarianz, mehr Individualisierung und Ausdrucksmöglichkeiten.

 

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