Nicht (neu) bauen ist besser(?)
Dämmen ist gut, aber nur eine Facette besseren Bauens. Doch kann Bauen überhaupt gut sein? Nein, denn die Kollateralschäden seien heute viel zu hoch – meint der Architekturpublizist Daniel Fuhrhop. Darüber sollte man diskutieren.
Auf die Effizienzdiskussion folgt nun die Suffizienzdebatte, auch am Bau. Fokussierte die Effizienz auf die Optimierung von Technologien, Werkstoffen oder Prozessen, geht es bei der Suffizienz um viel mehr. Nämlich um die Frage, wie gleich welcher Art intelligent, maßvoll und umsichtig sowie zukunftsgerecht genutzt werden können. Da sich die Suffizienzdiskussion damit gegen das Glücksmantra des ewigen Wachstums positioniert und dem enthemmten Konsumismus die Frage des Genügens entgegenhält, verlangt sie ein Neudenken der fest gefügten Wirtschafts- und auch Gesellschaftspostulate.
Und genau das macht die Debatte so spannend, aber auch schwierig. Doch sie muss geführt werden, auch in der Baubranche und mit allen Beteiligten. Denn Bauen verschlingt nach wie vor immense Mengen der endlich verfügbaren Ressourcen und vernichtet sie zugleich durch Leerstand, Abriss und Fehlplanungen. Investoren auf der Jagd nach der hohen Rendite sind hier ebenso die Akteure wie Kommunen, die billiges Bauland ausweisen. Architekten, die nicht zukunftssicher planen, und Bauherren, die dem Zerrbild des Häuschens im Grünen nachjagen, gehören ebenso dazu.
„Zwar modernisieren wir Heizungen und dämmen unsere Häuser, aber was wir dadurch an Effizienz gewinnen, verlieren wir durch Ausweitung der Fläche; der Verbrauch an Raumwärme ändert sich dadurch kaum“, schreibt Daniel Fuhrhop in seiner Streitschrift „Verbietet das Bauen!“. Statistisch kann sich jeder Einwohner Deutschlands mittlerweile auf 45 Quadratmeter Wohnfläche ausbreiten – Tendenz steigend. Jedes Jahr, so Fuhrhop, bauen wir eine Stadt so groß wie Bonn neu – bei stagnierender Einwohnerzahl.
Dass dies kein Modell von Dauer sein kann, dürfte jedem einleuchten, von Suffizienz keine Spur. Selbst dort, wo Städte schrumpfen, wird neu gebaut, zugleich aber vorhandene Gebäude abgerissen – eine schizophrene Entwicklung, die aber nicht ganz so überrascht, wie Fuhrhop es beschreibt. Denn Neubau gilt häufig nach wie vor als einfacher, berechenbarer, billiger als die Sanierung des Bestandes – und vor allem renditeträchtiger.
Schnelles Geld ist bei der Ertüchtigung älterer Bauten eher die Ausnahme, Investoren und Banken entsprechend zurückhaltend. Suffizienz beim Bauen setzt auch Suffizienz bei den Finanzen voraus, doch so lange Neubau als Konjunkturbooster gilt, wird es diese Kombination leider schwer haben.
Energieeffiziente Gebäudehüllen sind weiterhin wichtig – aber im größeren Kontext zu sehen. Das Öko-Passivhaus am Stadtrand ist schön und gut, aber nur für sich allein gesehen. Spätestens wenn man die zusätzlichen Wege berücksichtigt, die nach wie vor meist automobil zurückgelegt werden, sieht die Sache anders aus. Ganz abgesehen von grauer Energie und Landschaftsverbrauch. Was also tun? Den Bestand pflegen, modernisieren, energieeffizienter machen, aber auch umnutzen und mit neuen Konzepten ertüchtigen.
Den Bestand zu erhalten und aufzuwerten, wird unter dem Blickwinkel der Suffizienz von der Option zur Pflicht. Und weil damit auch gewachsenes Strukturen erhalten werden, tun wir so auch noch etwas für die Wirtlichkeit der Städte, Orte, Dörfer anstatt sie immer weiter zu zergliedern, funktional auseinanderzudividieren und gesichtsloser zu machen. Nicht nur Architektur und Bautechnik kann suffizient sein, auch die Städteplanung. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Tipp 1:
Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift von Daniel Fuhrhop, 2015 erschienen beim Oekom Verlag in München.
Tipp 2:
Anders bauen! Suffizienzkongress der deutschen bauzeitung am 13. Oktober 2015 in Stuttgart. www.db-suffizienzkongress.de