Mit Rückgrat
Interviews gehören zu den anspruchsvollsten journalistischen Disziplinen – für die Interviewer ebenso wie für die Interviewten. Es geht um einen öffentlichen Dialog zwischen zwei Menschen, der wegen dieser Dialog-Form oft etwas Vertrautes hat. Die Bandbreite spannt sich vom neugierigen Befragen bis zum aggressiven Verhör.
Redakteure können mit Ihren Fragen also offen an ein Thema herangehen oder – durch tendenziöse Formulierungen – ihre Interviewpartner in eine bestimmte Richtung drängen oder dies zumindest versuchen. Im zweiten Fall ist es für die Befragten natürlich schwieriger, locker und sachlich zu bleiben und nüchtern mit Fakten zu antworten.
Dass man in einem an ein Verhör grenzendes Interview rund um die Wärmedämmung dennoch sachlich bleiben kann, hat nun der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller im SPIEGEL-Interview bewiesen: Trotz der vielen einseitigen Fragen, mit denen er von Redakteur Alexander Neubacher scharf angegangen wurde, blieb der Grünen-Politiker sachlich korrekt und fachlich richtig und antwortete ein ums andere Mal kurz und prägnant und entkräftete damit die unterschwelligen Behauptungen über Dämmpflichten, Dämmstoffe, Amortisationszeiten und so weiter. Gut geschlagen, Herr Minister!
Der SPIEGEL hat sich nun offenbar auf eine verbale Schlacht gegen Dämmung und Energieeffizienz eingeschossen und beraubt damit unser Land, das weltweit für technischen Fortschritt steht, um wichtige und notwendige Perspektiven. Darüber hinaus wird das, was in jahrzehntelanger Forschung von unseren Ingenieuren und Technikern mit kluger Weitsicht entwickelt wurde, mit unbedachten Worten innerhalb weniger Monate mehr und mehr zerredet – vermutlich nur mit Blick auf kurzfristige Quote und Auflagenhöhe. Was für ein immenser Schaden!
Viele Menschen werden für diese Anti-Dämm-Berichte einen hohen Preis bezahlen. Damit sind nicht nur unnötig hohe Energiekosten gemeint. Es geht um verminderte Lebensqualität in nicht gedämmten und schlecht oder gar nicht modernisierten Häusern. Ein Preis, den man nicht in Euro und Cent beziffern kann.
Alle Baufachleute vom Handwerker bis zum Architekten, vom Ingenieur bis zum Fachberater sind jetzt in der Pflicht, mit Ausdauer und Geduld sachlich und fachlich korrekt aufzuklären. Wir müssen immer wieder erläutern, dass man in energieeffizient modernisierten Gebäuden behaglicher und gesünder lebt. Und wer gesund lebt, lebt länger. Das weiß jeder. Mich würde es nicht wundern, wenn es in 20 oder 30 Jahren Studien gibt, die zweifelsfrei belegen, dass bei Bewohnern gut gedämmter Häuser die Lebenserwartung gestiegen ist.
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