Ronny Meyer

Mit Rückgrat

Ronny Meyer, 16. Januar 2015

Interviews gehören zu den anspruchsvollsten journalistischen Disziplinen – für die Interviewer ebenso wie für die Interviewten. Es geht um einen öffentlichen Dialog zwischen zwei Menschen, der wegen dieser Dialog-Form oft etwas Vertrautes hat. Die Bandbreite spannt sich vom neugierigen Befragen bis zum aggressiven Verhör.

Redakteure können mit Ihren Fragen also offen an ein Thema herangehen oder – durch tendenziöse Formulierungen – ihre Interviewpartner in eine bestimmte Richtung drängen oder dies zumindest versuchen. Im zweiten Fall ist es für die Befragten natürlich schwieriger, locker und sachlich zu bleiben und nüchtern mit Fakten zu antworten.

Dass man in einem an ein Verhör grenzendes Interview rund um die Wärmedämmung dennoch sachlich bleiben kann, hat nun der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller im SPIEGEL-Interview bewiesen: Trotz der vielen einseitigen Fragen, mit denen er von Redakteur Alexander Neubacher scharf angegangen wurde, blieb der Grünen-Politiker sachlich korrekt und fachlich richtig und antwortete ein ums andere Mal kurz und prägnant und entkräftete damit die unterschwelligen Behauptungen über Dämmpflichten, Dämmstoffe, Amortisationszeiten und so weiter. Gut geschlagen, Herr Minister!

Der SPIEGEL hat sich nun offenbar auf eine verbale Schlacht gegen Dämmung und Energieeffizienz eingeschossen und beraubt damit unser Land, das weltweit für technischen Fortschritt steht, um wichtige und notwendige Perspektiven. Darüber hinaus wird das, was in jahrzehntelanger Forschung von unseren Ingenieuren und Technikern mit kluger Weitsicht entwickelt wurde, mit unbedachten Worten innerhalb weniger Monate mehr und mehr zerredet – vermutlich nur mit Blick auf kurzfristige Quote und Auflagenhöhe. Was für ein immenser Schaden!

Viele Menschen werden für diese Anti-Dämm-Berichte einen hohen Preis bezahlen. Damit sind nicht nur unnötig hohe Energiekosten gemeint. Es geht um verminderte Lebensqualität in nicht gedämmten und schlecht oder gar nicht modernisierten Häusern. Ein Preis, den man nicht in Euro und Cent beziffern kann.

Alle Baufachleute vom Handwerker bis zum Architekten, vom Ingenieur bis zum Fachberater sind jetzt in der Pflicht, mit Ausdauer und Geduld sachlich und fachlich korrekt aufzuklären. Wir müssen immer wieder erläutern, dass man in energieeffizient modernisierten Gebäuden behaglicher und gesünder lebt. Und wer gesund lebt, lebt länger. Das weiß jeder. Mich würde es nicht wundern, wenn es in 20 oder 30 Jahren Studien gibt, die zweifelsfrei belegen, dass bei Bewohnern gut gedämmter Häuser die Lebenserwartung gestiegen ist.

 

Kommentare  

Sabine Eva Rädisch Mittwoch, 21. Januar 2015 11:13
Gut beobachtet! Fragen wie "Warum wollen Sie die Bürger dazu bringen, Geld zu verschwenden?" wirken tendenziös und undifferenziert. Aber der Minister ist gut vorbereitet und weiß genau, was er tut und warum. Hoffen wir, dass seinen sachlichen Argumenten mehr Glauben geschenkt wird als den gebetsmühlenartig wiederholten Anti-Dämmungs-Stereotypen.
ProFaTec OHG Dienstag, 20. Januar 2015 13:09
Wir können diesen Artikel nur unterstreichen! Das, was hier beim Spiegel und auch teilweise im öffentlich rechtlichen Rundfunk geschieht ist aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht nachzuvollziehen. Einige wenige profitieren durch hohe Einschaltquoten und Verkaufszahlen und schädigen damit ganze Industriezweige und zuletzt auch den Verbraucher, der dadurch total verunsichert wird.
Rainer Samstag, 17. Januar 2015 15:17
Wo darf Mensch heute noch tatsächlich mitentscheiden ? Von der obligatorischen Wahl alle 4 Jahre mal abgesehen. Man / frau so überhaupt noch bereit „seine“ Stimme abzugeben, gewöhnlich für eine Partei, die gern auch mal völlig konträr zu ihren vorherigen Versprechen handelt. Das erzeugt Frust. Der dann noch von der immer „unangenehmer“ werdenden persönlichen Situation verstärkt wird. Eine meist schlechte Allgemeinbildung, das Unvermögen / Unwillen sich notwendiges Wissen im „Selbststudium“ anzueignen, führt geradewegs zum Typus der ewigen „Grantlers“ dem nicht gelegener zu kommen scheint, als irgendwem, irgendwas zu Widersprechen. Meist jenseits von jeder sachlich nachvollziehbaren Begründung. „Irgendwie“ glaubt man – "fühlt man", hier passiert wieder etwas, an dem ich nix ändern kann, aber ich kann mich „fröhlich“ am nächsten „Shitstorm“ beteiligen. Da kommen dann pseudowissenschaftliche Vorträge gerade recht. Dem stimmt der Kreis der „Berufsenttäuschten“ gerne zu. Da hilft keine noch so detaillierte und fundierte Beweiskette. Das ficht den Grantler oder dessen weibliches Ebenbild nun überhaupt nicht an. Wer das bezweifelt, soll sich mal den „Leserzuschriften“ zuwenden (auch hier). Völlig egal was da an Argumenten vorgebracht wurde, völlig unberührt davon, werden die selben, oft total hanebüchenen Behauptungen weiter dargelegt. „Dargelegt“ ist meist eine völlige Übertreibung. Ein einziger Halbsatz genügt um eine gut durchdachte Argumentation in Bausch und Bogen zu verdammen. Fachwissen – gern auch selbst angeeignetes – totale Fehlanzeige. Dann noch eine Priese VT hineingemengt, „irgendwer will uns nur aus diesen oder jenen bösen Absichten heraus etwas aufdrücken“. Hinweise auf Verschwörungen werden gern genommen um jedem der „Schafe“ klar zu machen wie sehr sie doch manipuliert werden. Konkret, was immer – wie in diesem Fall der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller – jemand sagte, geht an der vorgefassten Meinung von Herrn Neubacher (Spiegel) vorbei. Das wird schon im Titel „Öko-Auflagen für Hausbesitzer: Warum steigen die Mieten in gedämmten Häusern, Herr Minister?“ klar, im Grunde ist es die Zielgruppe der „Berufsenttäuschten“ gemeint (für die allerdings das „Verhör“ wenig befriedigende Ergebnisse liefert). Die Reaktion ist entsprechend – um die „Stimmung“ auszuwerten müsste man 268 Beiträge lesen. Schade, eigentlich – es wäre schön, wenn man das mit einem Softtool erledigen könnte. Ab und an arbeite ich mich durch solche Monster hindurch. Dabei nicht ganz den Verstand zu verlieren ist eine echte Herausforderung. Das Problem für die Mieter ist ein politisches – eines der übliche Glanzstücke unserer Lobbyisten. „Haus und Grund“ hat ein anfänglich mieterfreundliches Gesetz in sein krasses Gegenteil verkehrt. Einfach mal recherchieren. Ursprünglich war geplant, bei hartnäckiger Verweigerung des Vermieters sollte ein Mieter die jährliche Heizkostenabrechnung um den errechenbaren Betrag kürzen können, der sich aus dem Verhältnis zwischen „ungedämmt“ und vernünftig und fachlich versierter Dämmung ergibt. Hätte „man“ es dazu kommen lassen, wäre sicher eine Flut von Prozessen die Folge gewesen. Dort hätte dann die jeweilige „Partei“ über technischen Nachweis ihre Positionen klären müssen. Was bei meinem Wissenstand, zwangsläufig zu Grundsatzurteilen geführt hätte. Das konnte und wollte diese Interessenvertretung keinesfalls riskieren. So hat das Gesetz heute sehr viel gegenteilige Wirkung. Warum aber ~49% der Bewohner in D, eigengenutzter Immobilien nicht „zur Tat schreitet“, hat mehrere Ursachen. Der Kreis derer, welche „lediglich“ über Eigentumswohnungen verfügen, scheitert oft an einem einzigen „Ko-Eigentümer“. Andere, welche bereits ihre "Bonusjahre" verleben (Rentner & Co) schätzen ihren vermutlichen Lebenshorizont bewusst klein ein und überlassen die energetische Zukunft ihren Erben. So gibt es viele Gründe, sich der Idee Energie einzusparen zu verweigern. Wenn den mal Vernunft und Realitätssinn auch in politischen Kreisen verschämt Einzug hält, kommen selbst die allerliberalsten Politiker nicht um „härtere Maßnahmen“ herum. Mir fällt zu „vernünftigem Zwang“ nur das Beispiel der Gurtpflicht ein. Freiwillig ? Mensch wird nicht einfach freiwillig klug. Entweder überlebt er seine eigene Dummheit und gewinnt so eventuell neue „lebensrettende Einsichten“ … Ganze Bände von Unfallverhütungsvorschriften beweisen, Menschen müssen in vielerlei Hinsicht schlicht zu einer vernünftigen Einsicht gezwungen werden. Das dies so ist, wirft eine sehr trübes Licht auf unsere Fähigkeit sich weiter zu „evolutionieren“. Was das Wohnen angeht, egal wie verblödet man ist, eigentlich müsste es doch einsichtig sein, selbst wenn nicht ganz soviel herauskommt, es 40 bis 50 Jahre dauert bist sich etwas „rentiert“. Keine exakte Ahnung, was alles so angeschafft wird – OHNE jede Rücksicht auf Rentabilität. Nur bei bestimmten Dingen wird plötzlich „Rentabilität“ zum Totschlagargument. Von den irren Meinungen was völlig unbekannte Wesen Dämmung „so anrichtet“ gleich ganz abgesehen....

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