Grüne Fassaden: Kein spezifisches WDVS-Problem
Ach du liebe Zeit, die Fassade "grünt"! Grünalgen oder Schimmelpilze auf seinen Außenwänden findet kein Hausbesitzer schön. Selbst wenn damit kein Schaden an der Fassade entsteht, führt der optische Mangel zu Ärger. Ebenso ärgerlich ist in diesem Zusammenhang aber auch die von einigen Medien verbreitete unsachliche Behauptung, dass WDVS-Fassaden besonders zur Vergrünung neigen. So einfach ist die Suche nach der Ursache nicht!
Die mit dauerhafter Feuchte auf der äußeren Wandoberfläche einhergehende Gefahr der Grünbildung, z. B. durch mangelhaften Witterungsschutz, ist ein komplexes Thema, weil hier umwelt- und objektspezifische Aspekte eine maßgebliche Rolle spielen. Vielleicht wird gerade aufgrund der vielen Einflussfaktoren die Diskussion über den "optimalen" Feuchteschutz von Fassaden so emotional geführt. Dies gilt für "WDVS-Gegner" ebenso wie für die Befürworter von hydrophoben (wasserabweisenden) oder hydroaktiven (wasseraufnehmenden, austrocknenden) Fassaden-Endbeschichtungen.
Dass durch Dämmsysteme der Wärmetransport von innen nach außen sinkt und daher auch die Temperatur an der Außenoberfläche der Fassade niedriger ist als bei einer gleichen Fassade ohne Dämmung und dadurch wiederum die Gefahr der Tauwasserbildung steigt, ist nicht von der Hand zu weisen. Wie ausschlaggebend dieser Faktor den Algen- und Pilzbewuchs fördert, wurde allerdings bislang nicht wissenschaftlich untersucht. Die Wechselwirkungen zwischen den je nach Objektstandort und Art der WDVS-Ausführung sehr individuellen Randbedingungen sind Grundvoraussetzung für fundierte Aussagen.
Interessant ist deshalb ein im Jahr 2012 angelaufenes Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in Holzkirchen über die Grünbildung bei umweltfreundlichen WDVS-Fassaden mit biozidfreier Endbeschichtung. Bei der Untersuchung werden erstmals alle Rahmenbedingungen detailliert erfasst, unter denen Bewuchs auftritt – oder auch nicht. Die Ergebnisse werden sicherlich sowohl für die WDVS-Hersteller wie für Planer und Bauherren von großem Interesse sein.
Das Thema Feuchte- und Witterungsschutz darf aus meiner Sicht generell nicht ausschließlich material- bzw. systemspezifisch betrachtet werden. Mikroorganismen wachsen auf fast allen Untergründen. Zu den Hausaufgaben des Planers gehört es unter anderem, schon beim Gebäudeentwurf die Schlagregen-Beanspruchung nach DIN 4108 zu berücksichtigen. Bei einem wind- und regenanfälligen Standort und ungünstiger Fassadenorientierung sind dabei unabhängig vom Wandaufbau – mit oder ohne WDVS – vorrangig die Möglichkeiten des konstruktiven Witterungsschutzes zu nutzen.
Zu den relevanten konstruktiven Maßnahmen gehören auch Tropfkanten und Wasser abführende Gesimse oder Attiken. Am effektivsten ist eine Fassade vor der Witterung geschützt, wenn eine direkte Einwirkung durch Niederschläge durch ein Vordach oder entsprechend dimensionierte Dachüberstände verhindert werden. Sie verringern zudem die nächtliche Auskühlung der Fassade und so die Bildung von Tauwasser an der Wandoberfläche. Deshalb ist es in meinen Augen unverständlich, wenn so mancher Architekt solche Lösungen aus gestalterischen Gründen vernachlässigt. Das schöne Erscheinungsbild eines Neubaus ist nämlich schnell dahin, wenn aufgrund direkter Feuchte schon nach relativ kurzer Zeit auf den nicht geschützten Wandbereichen eine grüne Verfärbung auftritt.
Allerdings: Derartige konstruktive Maßnahmen sind nicht jedermanns Geschmack und können zudem zusätzliche Kosten verursachen. Sie sind bei normaler, also durchschnittlicher Feuchtebelastung durch die Witterung auch nicht zwingend erforderlich. Auch ein wasserabweisender, sogenannter hydrophober Endanstrich (dieser schützt die Wand vor eindringender Feuchte) muss bei einem fachgerecht auf der Wärmedämmung aufgebrachten, witterungsstabilen Putz nach den geltenden Regeln der Technik nicht erfolgen.
Natürlich ist jede Fassade der Alterung ausgesetzt. Ein natürlicher Substanzverlust der Putzschicht lässt sich also auf Dauer auch bei hoher Witterungsstabilität nicht vermeiden. Die Putzoberfläche wird rauer und von haarfeinen Rissen durchzogen. Dadurch dringt die Feuchte im Laufe der Zeit leichter ein, zudem ist vermehrt mit Schmutzablagerungen auf der Oberfläche zu rechnen. Das Gleiche gilt für die Ansiedlung von Mikroorganismen. Ein witterungsstabiler Schlussanstrich, z. B. einer Siliconharzfarbe, verbessert im Normalfall die Schutzfunktion des Oberputzes.
Apropos Endbeschichtung: Auch die Diskussion, mit welcher Fassadenendbeschichtung sich die Grünbildung am ehesten vermeiden lässt, wird seit einiger Zeit sehr kontrovers geführt. Stand der Technik ist, dass wasserabweisende Schlussbeschichtungen mit bioziden Inhaltsstoffen das Ansiedeln und Wachstum von Algen und Pilzen effektiv behindern. Die Betonung liegt hier auf "behindern" und nicht auf "verhindern". Hier hat sich in den letzten Jahren durch das gestiegene Umweltbewusstsein eine veränderte Einstellung zu Anstrichen mit bioziden Anteilen ergeben. Die enthaltenen Biozide werden mit der Zeit durch Niederschläge ausgewaschen, können also dann nicht mehr den Algenbewuchs bekämpfen, sondern belasten die Umwelt. Immer mehr Bauherren wollen deshalb auf den Einsatz von Chemikalien im Endanstrich verzichten.
Dies ist nach Meinung von einigen Experten durchaus möglich. Dr. Uwe Erfurth vom Institut für Bautenschutz plädiert dafür, statt hydrophober, biozider Endbeschichtungen besser auf austrocknende hydroaktive Endbeschichtungen zu setzen. Dabei wird Feuchtigkeit aus Schlagregen oder Tauwasser von einem kapillaraktiven Putz aufgesaugt – z. B. einem mineralischen Oberputz –, zwischengespeichert und in regen- und taufreien Perioden des Tages durch Verdunstung wieder an die Außenluft abgegeben. Dieses System der Austrocknung statt Wasserabweisung ist perfekt auch für WDVS-Fassaden geeignet.
Unabhängig von dieser Diskussion sind die Baubeteiligten meiner Ansicht nach immer gut beraten, den Angaben der Hersteller über den Schutz ihrer Putze und Farben gegen Algenbewuchs mit einer gesunden Skepsis zu begegnen. Hier wird aus Wettbewerbsgründen bei den eigenen Produkten oft sehr laut „getrommelt“. Dies gilt insbesondere für Anstriche, die laut ihrer Produzenten angeblich die Grünbildung auf der Fassade "ausschließen". Das klingt nach den Erfahrungen der Praxis eigentlich nach einem unseriösen Versprechen.
Mein Fazit: Wer als Bauherr und Planer grünende Fassaden möglichst verhindern will, muss nicht auf WDVS verzichten, sondern die Auswirkung der Risikofaktoren, die das Ansiedeln von Mikroorganismen begünstigen, einschränken. Dazu gehört neben der Vermeidung von dauerhafter Feuchte auf der Wandoberfläche u. a. die Verhinderung von (hohen) Pflanzen in direkter Nähe der Fassade und von verschattenden Bäumen. Zudem ist die Fassade hinsichtlich der Oberflächenqualität der Endbeschichtung regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls zu pflegen.
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