Generationswechsel und Baukultur
Aus alt wird neu: Warum die Baukultur durch das Upgrade des Baubestandes gewinnen kann. Und welche Rolle dabei die Hülle samt Dämmung spielt.
Mal ehrlich: So wirklich toll ist die deutsche Baukultur nun auch wieder nicht. Bei Großprojekten diktieren Investoren, wo es lang geht – Einkaufszentren tauchen wie Klone quer durch die Republik auf, Industriegebiete bestehen im besten Fall aus aufgehübschten Kisten mit extremem Landschaftsverbrauch und Flughäfen, nun ja, da schweigt man lieber. Auf der anderen Seite der Fahnenstange stehen all die ungezählten Einfamilienhäuschen mit Carport vornedran, die Mehrfamilienkonglomerate und Geschosswohnbauten aus unterschiedlichsten Entstehungszeiten.
Sie stellen das Gros des Baubestandes, sind oft ganz ordentlich konzipiert, oft aber auch bar jeder Idee oder Inspiration, Durchschnittsware allenfalls. So sieht Baukultur außerhalb der Feuilletons und Hochglanzmagazine aus, die immer wieder „beispielhafte Highlights“ in besten Tönen und Perspektiven lobpreisen. Seit Jahrzehnten geht das so, erfreut sich das Auge an dem, was machbar wäre, wenn man die Inspiration, aber auch den Mut hätte, sich über den Durchschnitt hinauszuwagen. Mit großem Budget hat das oftmals gar nicht viel zu tun, auch wenn die Kosten gerne als Universalbremse herhalten müssen.
Große Teile des Gebäudebestandes sind heute in einer Situation, die ihre Sanierung nahelegt. Viele Gebäude wechseln ihre Besitzer, werden vererbt oder schlicht verkauft. Damit ergibt sich eine große Chance, nämlich diese Gebäude mitsamt ihren Alterserscheinungen aus 30, 40 oder 50 Jahren einem gründlichen Upgrade zu unterziehen, Gestaltung und Konzeption inklusive. Die Baukultur kann eigentlich nur gewinnen, stehen heute doch zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, Bestandsbauten energetisch, funktional, nutzerzentriert oder ästhetisch auf ein neues Level zu bringen.
Denn Baukultur ist nicht etwa allein die ästhetische Folie eines Gebäudes, sondern betrifft auch unseren sensibilisierten Umgang mit Räumen, mit Werkstoffen, Ressourcen, den Leistungen früherer Generationen und natürlich der Umwelt. Bestandsertüchtigung, das sollte inzwischen bekannt sein, erweist sich in fast allen Fällen als ökologisch und auch ökonomisch sinnvoller als der Neubau mit seinem vielfach höheren Ressourcen- und Flächenbedarf.
Sanierungen sind spannend, weil sie das Alte mit dem Neuen verbinden, weil mitunter Bruchstellen sichtbar bleiben, wie Erinnerungen an die Zeit zurück. Anbauten, Erweiterungen oder Aufstockungen gar, wenn klug gesetzt, runden so manches Gebäude erst ab und verleihen ihm ein differenziertes, eigenständiges Gesamtbild. Verblüffende Verwandlungen erblühen landauf, landab, setzen Benchmarks, angesichts derer so mancher Neubau schon wieder alt aussieht.
Eine wichtige Rolle des Upgrades spielt die Hülle, also die Fassade, weil sie sowohl für Energieeffizienz steht wie auch das Gebäude insgesamt nach außen hin prägt. Und wie kaum an anderer Stelle lassen sich diese beiden Aspekte gleichzeitig sanierungstechnisch optimieren: Die Montage einer Fassadendämmung auf die bestehende Hülle eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Gestaltung. Farben, Strukturen, Werkstoffe, ja plastische Gliederungen bieten eine ganze Options-Klaviatur, die darauf wartet, gespielt zu werden.
Dämmen bedeutet nicht weitere Verarmung der Baukultur, sondern eröffnet den Weg zu anderen Qualitäten, zur Baukultur 2.0 sozusagen. Aber wie bei allen Instrumenten gilt auch hier, dass man das Spiel beherrschen muss, vor allem, da es idealerweise immer um Neukompositionen geht. Erfahrung, das Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen, über die Notwendigkeiten und Freiheiten sind unabdingbar für den vielstimmigen, aber harmonischen Zusammenklang der unterschiedlichen Elemente. Klar, dass dies Sache des Profi-Instrumentalisten sein sollte, sowohl in Sachen Planung wie auch bei der Umsetzung. Ein Profi mit entsprechender Expertise selbstverständlich.
Zum Glück gibt es längst viele positive Beispiele dafür, dass energetisches Sanieren auch die architektonische Qualität von Gebäuden verbessern kann, Einfamilienhäuser und Wohnanlagen, Gewerbe- und Industriebauten. Sehen Sie zum Beispiel hier und hier oder hier.