Ronny Meyer

Ein Irrtum hält sich hartnäckig – Wie dicht sind gedämmte Häuser?

Ronny Meyer, 28. Juni 2016

Wenn es in Häusern schimmelt, kann das viele Ursachen haben – eine aber nicht: die Dämmung! Am 20.06.2016 wühlte die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift „Schimmel im Haus – Deutschland ist dicht“ ihre Leserschaft auf:

Beängstigende Aussagen wie etwa „Schimmel breitet sich sprunghaft aus“, die noch mit Panik-Wörtern gesteigert wurden: „grausam“, „gefährlich“, „unfassbar“. Und dann der falsche Schluss der Süddeutschen: „Häuser werden immer dichter. Das ist der ,Käseglockeneffekt‘: Als die Häuser noch nicht mit Wärmedämmplatten und perfekten Fenstern ausgestattet waren, gab es einen natürlichen Luftwechsel.

Heute müsste man 40-mal mehr als früher lüften, um das auszugleichen.“ Zum Beweis der Thesen wurde der bereits verstorbene Künstler Friedensreich Hundertwasser zitiert, der ja schon immer wusste, dass modernisierte Bauten „verschimmeln“. Puh, das erinnert ein wenig an die Zeiten, als man noch glaubte, die Welt sei eine Scheibe. Aufklärung geht in meinen Augen anders. Los geht‘s:

Zunächst: Häuser sind nur aus zwei Blickwinkeln dicht: Es regnet nicht hinein und der Wind pfeift nicht durchs Zimmer. Unsere Häuser sind also regendicht und luftdicht. Gott sei Dank! Bezüglich der Dampfdiffusion, im Volksmund „Atmungsaktivität“, genannt, sind aber nahezu alle Häuser – auch die energetisch modernisierten – nicht dicht, sondern offen: sprich „dampfdiffusionsoffen“. Erstes Fazit: regendicht, luftdicht und dampfdiffusionsoffen – das geht! Und zwar gleichzeitig.

Zum Einstieg folgendes Beispiel: Ein dicker Wintermantel hält warm, ist aber nicht wasserdicht (klar, wenn‘s richtig regnet, ist so ein Mantel schnell nass und die Dämmwirkung lässt nach). Eine dünne Regenjacke ist regendicht und luftdicht, sie hält aber nicht warm. Beim Haus ist das genauso: Es gibt Schichten, die die Nässe abhalten (Dacheindeckung, Mauerwerk), Schichten, die dafür sorgen, dass der Wind nicht reinpfeift (Innenputz, Folien unter der Dachdämmung) und eben die Dämmschichten, die das Haus warm halten, aber eben nicht dicht sind.

Nun zur Physik (bitte unbedingt weiterlesen, dann können wir jetzt einen der hartnäckigsten Irrtümer ein für alle Mal ausräumen): Alte Häuser, deren Außenwände aus massiv gemauerten Backsteinen bestehen, haben eine Wärmeleitfähigkeit von etwa 1,0 W/mK. Beton, ein sehr guter Wärmeleiter, ist nur um den Faktor 2 schlechter. Wärmedämmendes Mauerwerk dagegen ist um den Faktor 10 besser, gewöhnliche Dämmstoffe sind sogar um den Faktor 30 besser als alte Backsteine.

Das hat zur Folge, dass im Winter die Oberflächen auf der Innenseite von ungedämmten Außenwänden kalt sind (ca. 12 bis 14 Grad). Die Oberflächentemperaturen von gedämmten oder aus „Energiesparsteinen“ gemauerten Wänden liegen auf der Innenseite dagegen bei 18 bis 19 Grad.

Damit es im ungedämmten Altbau im Winter einigermaßen auszuhalten ist, muss man die Räume auf 23 bis 25 Grad aufheizen. Im gedämmten Altbau und im energieeffizienten Neubau genügen 19 bis 20 Grad, damit sich die Bewohner wohl fühlen. Im gedämmten Gebäude spart man Energie und die Raumwärme bleibt Dank der Dämmung im Zimmer.

Soweit ist alles in Ordnung, wäre da nicht dieses Halbwissen, das zu allerlei Verwirrung führt. Wir schauen auf die Fenster: 30 Jahre alte Doppelscheiben haben im Winter Oberflächentemperaturen auf der Innenseite, die nur bei 10 Grad oder darunter liegen. Der sogenannte Taupunkt wird dort unterschritten, man sieht wie die Scheiben „beschlagen“. Das kennt jeder.

Viele Menschen spüren auch, dass es in der Nähe der alten Fenster „zieht“ und sie kommen zu dem falschen Schluss, dass die Fenster undicht – im Sinne von „luftdurchlässig“ – seien, was zu Unbehaglichkeit führt. Um diese Unbehaglichkeit abzustellen, baut man neue Fenster ein und siehe da, es „zieht“ jetzt nicht mehr. Die Fenster sind also „x mal dichter“ – doch das ist falsch!

Richtig ist dagegen folgender Sachverhalt: Die niedrige Oberflächentemperatur einer alten Verglasung bewirkt ein schlagartiges Abkühlen der bis zu 25 Grad warmen Raumluft, wenn sie auf die kalten Fensterscheiben trifft. Und genau dort, an der Fensterscheibe, fällt dann die abgekühlte, „schwerere“ Raumluft nach unten und es entsteht Zirkulation. Man hat das Gefühl, dass es „zieht“ (selbst wenn die Dichtungen zwischen dem Fensterflügel und dem Fensterrahmen gerade ausgetauscht wurden und hundertprozentig (luft)dicht sind.

Doch es geht noch weiter. Man baut dann neue Fenster ein, deren moderne Dreifachscheiben wegen ihrer hohen Oberflächentemperaturen dann bewirken, dass die Raumluft, die auf die Verglasung trifft, dann nicht mehr abkühlt. Es gibt keine Zugluft mehr. Falscher Schluss: Es zieht nicht mehr, weil die Fenster jetzt dichter sind. In Wirklichkeit: Es zieht nicht mehr, weil sich die Luft an der Scheibe nicht mehr abkühlt.

Schon Mark Twain wusste: Probleme bereitet uns nicht das, was wir nicht wissen, sondern was wir mit Sicherheit wissen, was aber in Wirklichkeit falsch ist.

Nun ist es richtig, dass es nach dem Einbau neuer Fenster oft schimmelt. Woran liegt das? Auf jeden Fall nicht an der Dichtheit der Fenster. Es ist so: Wer im Altbau die alten Fenster erneuert, bewirkt, dass es nicht mehr „zieht“ (Erläuterung dazu oben). Man dreht die Heizung runter, weil es jetzt behaglicher ist.

Die nun etwas kühlere Raumluft kann aber weniger Wasser speichern, zugleich kühlt man die ohnehin schon kalten, weil ungedämmten Wandoberflächen durch das Runterdrehen der Heizung noch weiter ab. Es kann nun auf der Wand der Taupunkt unterschritten werden, es fällt dort Tauwasser aus, es schimmelt. Der Schimmel entsteht also nicht, weil das Haus dichter wurde, sondern weil man die Raumluft abkühlt und damit die Tauwassergefahr anhebt.

Man vermeidet diese Gefahr, indem man im Zuge eines Fenstertauschs die alte Fassade vernünftig dämmt. Denn gedämmte Fassaden bewirken, das raumseitig die Oberflächentemperatur hoch ist. Es kann kein Tauwasser und kein Schimmel entstehen. Richtig gedämmte Häuser können nicht schimmeln!

Nun gibt es oft den Einwand, dass das Schimmelproblem gerade in den vergangen 10 Jahren deutlich zugenommen hätte, weil die Fenster immer dichter wurden. Richtig ist die Zunahme des Schimmels, falsch die Schlussfolgerung: Der Grund für die Zunahme des Schimmelproblems liegt darin, dass die Dämmwirkung der Verglasung in den vergangenen Jahren so gut geworden ist, dass es eine „Verlagerung des Taupunktes“ auf die ungedämmten Wände mit Tauwasserausfall gibt. Deshalb muss man im Zuge einer Modernisierung die neuen Fenster und die Fassade wie ein Bauteil betrachten und aufeinander abstimmen. Dann ist alles in Ordnung. Niedrige Heizkosten, hohe Behaglichkeit, kein Schimmel.

Kleines Wortspiel am Schluss: Die Welt ist also nicht eine Scheibe, sondern Dämmung plus drei Schreiben. Und eines noch: Richtiges Lüften ist immer gut: im vollständig sanierten und im komplett unsanierten Haus. In einem nur halb oder unfachmännisch sanierten Haus kann man allein mit Lüften die Bauschäden, sprich den Schimmel (sofern er auftritt), meist nicht entfernen. Aber das ist eine andere Geschichte.

[ Süddeutsche Zeitung: Schimmel im Haus – Deuschland ist dicht ]

 

Kommentare  

Dämmung verhindert Schimmel » Wärmedämmverbundsystem Montag, 12. Februar 2018 17:10
[…] Ein Gerücht, das sich hartnäcking hält ist, dass Dämmung zu Schimmel führt, weil „die Wände nicht mehr atmen können“. Unser Blogger Ronny Meyer hat diesen Irrtum bereits in seinem Blogbeitrag vom Juni 2016 anschaulich widerlegt. Hier geht es zum Beitrag. […]
Maria Montag, 10. Oktober 2016 16:34
Dto. Und mit welchem Material kann ich eine bereits bestehende WDVS-Fassade sanieren, so dass sich zukünftig keine Risse und keine Flechten mehr bilden?
Bernd Mittwoch, 20. Juli 2016 01:58
Gute Erklärung. Und welches Material sollte man zur Dämmung der Außenwand einsetzen?

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