Der Papst, die Franzosen und Reinhard Mey
Mitte Juni dieses Jahres hat Papst Franziskus im Vorfeld der Klimakonferenz in Paris eine Enzyklika („ermahnendes Rundschreiben“) veröffentlicht, in der er den verantwortungslosen Umgang der Menschen mit der Erde verurteilt und zur Umkehr auffordert.
Unter der Überschrift „Die Sorge für das gemeinsame Haus“ legt er sich auch mit den Klimaschutz-Leugnern an. Ein wichtiges Signal. Die ZEIT schrieb hierzu am 16. Juni 2015 treffend: „Franziskus will eine volksnahe Kirche, die ihrer Zeit nicht hinterherhinkt, sondern sich aus der Schmollecke ihrer Selbstbezüglichkeit herauswagt. Eine Kirche, die nicht Moralapostel spielt, sondern vom Gipfel der eigenen Überlegenheit heruntersteigt in die Wirklichkeit.“
Doch schon heute, etwas mehr als einen Monat später, ist die Ansprache des Papstes von den Titelseiten wieder verschwunden. Wird seine im Kern richtige und wichtige Botschaft bei den Menschen ankommen? Neu ist es nicht, was uns der Papst heute mitteilt. Es wurde so auch schon vor über 40 Jahren von dem anderen „Club of Rome“ im Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ aufgelistet.
Alles Wissenswerte vom Ozonloch bis zum steigenden Meeresspiegel haben wir in allen Varianten tausend Mal gehört. Viele kennen den Film „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore, fast alle wissen, dass die Erde Fieber hat (zwei Grad erhöhte Temperatur) und die meisten kennen auch den Witz vom Mars und der Erde, in dem der Mars die Erde fragt „Wie geht‘s?“ und die Erde klagt: „Nicht so gut, ich habe homo sapiens.“ Fast jedem ist klar, dass wir ein „Weniger ist mehr“-Bewusstsein brauchen. Wir wissen es schon sehr, sehr lang – und wollen es aber offenbar nicht wahr haben.
Die „Schuld“ der Klimaproblematik, so der Papst, sei auch in der menschlichen Gleichgültigkeit zu finden, schädliche Konsumgewohnheiten würden immer schlimmer werden. Stimmt so nicht ganz: FCKW-Verbot, Feinstaubfilter, bleifreies Benzin, Rauchgasentschwefelungsanlagen, Katalysatoren und Wärmedämmung – es ist schon vieles in der Umsetzung. Andererseits: Hierzulande diskutieren wir noch sehr erhitzt über Wärmedämmung und in den USA und in China diskutiert man, ob man überhaupt diskutieren soll. Alles in allem sind wir Menschen noch immer nicht ganz auf dem richtigen Weg, wider besseres Wissen.
Auf dem „Highway to hell“ fahren wir aber auch nicht. Es gibt unzählige positive Aktionen und Aktivitäten, von vielen kleinen Einzelmaßnahmen bis hin zu den (leider sehr zaghaften) globalen Verträgen zum Schutz unserer Umwelt. Vielleicht sind diese Anstrengungen der Menschheit zum Klimaschutz nur etwas zu wenig, zu unentschlossen. Da hat Franziskus recht. Wer leicht erhöhte Temperatur hat und nur zwei Aspirin schluckt, kommt langsamer auf den Damm, als der, der sich ein paar Tage ausruht und Pause macht. Vermutlich ist genau das unser Problem: Inne halten, Pause machen – das haben wir verlernt. Wir haben es damals in den Siebzigern schon mal mit den autofreien Sonntagen probiert – leider erfolglos.
Oder geht Pause machen doch? Es gibt doch diesen schönen Begriff vom „Schwarmstrom“. Ganz viele kleine Kraftwerke in unseren Heizungskellern (Kraft-Wärme-Kopplung) könnten sehr flexibel und schnell auf schwankende Stromnachfrage reagieren, so dass wir einige umweltverschmutzende Kohlekraftwerke und gefährliche Atomkraftwerke abschalten könnten. Das wäre ein großer Schritt. Wie wäre es, diese Idee weiter zu spinnen und unserer Erde eine „Schwarmpause“ zu gönnen? Jeder macht auf seine Weise „Pause“, wann und wo es ihm passt. „Pause“ ist dabei mal „Energieeffizienzsteigerung“, mal „Verzicht“. Der eine dämmt sein Haus, der andere nimmt Fahrrad statt Auto. Wenn wir alle mitmachen, „einen Gang zurückschalten“, dann funktioniert das. Ganz im Sinne der Papst-Enzyklika. Und denen, die meinen, ein Einzelner könne überhaupt nichts ausrichten, sei gesagt: Nur der Einzelne kann etwas bewegen!
Irgendwann sind wir dann so weit, dass Umwelt- und Klimaschutz zum Trend, Kult oder zu einer zeitgemäßen Bewegung werden, bei der jeder mitmacht, allein um „dazu zu gehören“. Dann wird es mehr „sportliche Disziplin“ als Religion sein, einen möglichst winzigen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Wir sind gar nicht mehr so weit weg davon: Aktuell machen sich die Franzosen daran, ihr Energiesystem umzukrempeln: Weniger Kohlendioxid, mehr Ökostrom und weniger Atomkraft. Bis 2050 will Frankreich der eigenen Agenda zufolge 75 Prozent weniger CO2 ausstoßen als heute. Stopp, stopp, stopp: Wollten nicht wir Deutschen die Weltmeister im Klimaretten werden?
Vorschlag: Neben Fußball-WM und Olympia gibt es künftig – alle vier Jahre – in den ungeraden Jahren die Klimakonferenz (2015: Pflicht) und zwei Jahre später (quasi als „Controlling“) die Klimaschutz-Spiele (2017: Kür). Die Klimaschutz-Spiele werden in dem Land ausgetragen, das die höchsten CO2-Einspar-Raten vorweisen kann. Die besten und erfolgreichsten Klimaschutz-Ideen werden vorgetragen, inszeniert und prämiert. Das wäre doch eine gute Ergänzung zum Rundschreiben des Papstes: Pflicht und Kür. Und da keine Spiele ohne Hymne auskommen: Wie wär's mit Reinhard Meys Song „Es gibt keine Maikäfer mehr“? Da heißt es am Schluss: „Vielleicht geh‘n uns nur die Maikäfer ein kleines Stück voraus.“