Armin Scharf

Ach, das Fachwerk!

Armin Scharf, 06. Juni 2014

Ist eine gute Zukunft nur auf Kosten der Vergangenheit möglich? Ist die historische Bausubstanz verloren, weil deren Fassaden gedämmt werden müssen? Ja, sagen die einen, die sowieso immer dagegen sind. Dabei lässt sich beides verbinden – Energieeffizienz und Baugeschichte.

Fachwerk ist gut. Und schön. So schön, dass manche Gebäude zu Fachwerkhäusern wurden, obwohl das hölzerne Tragwerk bis dahin stets unter einer schützenden Putzschicht verborgen war. Als Folge des Freilegens treten teils extreme bauphysikalische Probleme auf. Aber wer schön sein will, muss auch leiden, so heißt es ja.

Nun aber droht dem ortsbehübschenden Fachwerk neues Ungemach. Geschichtslose Energiefanatiker wollen das bisschen Pseudo-Historität, gerne auch mit dem Adjektiv „schmuck“ versehen, gesichtslos machen. Die gute, alte Zeit unter dicken Dämmplatten versteckt, nur damit die Zukunft nicht noch schlechter werde?

Solchen Rigorismus möchte natürlich niemand, zu viel bliebe dabei auf der Strecke, nicht nur die latente Sehnsucht nach der großen Zeit von einst. Dennoch ziehen Dämm-Skeptiker, Westentaschenhistoriker, gefühlsgesteuerte Wutbürger oder investitionsunwillige Hauseigentümer dieses Szenario immer wieder aus der populistischen Gruselkiste. Und liegen damit doch falsch. Richtig ist, dass Fassaden mit Fachwerk, Klinkern oder historischem Schmuck ein besonders sensibles Vorgehen erfordern – das war schon immer so, auch wenn nur ein neuer Anstrich anstand.

Vor ein, zwei Generationen noch hätte man vermutlich übergedämmt, damals schlug man aber unter dem Beifall der Öffentlichkeit jeglichen Stuck von vielen Gründerzeit-Fassaden. Tatsächlich lässt sich das historische – oder vorgeblich historische – Äußere erhalten, zugleich die Energiebilanz des Gebäudes und sogar der Komfort in den Räumen verbessern.

Die Therapie nennt sich Innendämmung. Ja, auch die ist nicht neu. Neu sind jedoch die Systeme, die problematische Nebenwirkungen der alten Dämmungen ausschließen. Etwa den Tauwasserausfall im Mauerwerk, den (deutlichen) Verlust an Raumfläche oder die Verletzungsanfälligkeit durch Dübelbohrungen. Heute basiert die Innendämmung auf modernsten Materialien, Aerogelen beispielsweise, die auch in geringer Dicke hochdämmend sind.

Oder kapillaraktive Montagemörtel, die Feuchte aus dem Mauerwerk aufnehmen, zwischenspeichern und bei besseren Bedingungen wieder abgeben. Silikatische oder kalkgebundene Putze und Beschichtungen tragen ebenfalls zum Management des Feuchtehaushaltes im Raum bei.

Innendämmungen sind elegante Lösungen für besondere Fälle – und sorgen dafür, dass die gebaute Identität, die extrem von der Außenwirkung der Gebäude abhängt, erhalten bleibt. Auch so kann Fortschritt aussehen, der mit dem Gestern versöhnt.

Übrigens läuft die wirkliche Zerstörung der Geschichte ganz anders ab: Sie kommt in Form der Abrissbirne daher. Nach wie vor verschwinden historisch wertvolle und authentische Gebäude von der Landschaft – weil sie Investoren im Weg sind. Oder Straßen. Oder einfach „hässlich“ dastehen, weil sich jahrzehntelang niemand um sie gekümmert hat und endlich das Stadium des Zerfalls so groß ist, dass selbst die härtesten Denkmalschützer einknicken. Das ist der eigentliche, fortwährende Skandal, der quer durch die Republik sein Unwesen treibt – und in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden müsste.

 

Kommentare  

Rainer Mittwoch, 18. Juni 2014 23:10
Ja, ja es ist wie die plötzliche Sorge um die Vögel die angeblich zu Millionen von WKA „geschreddert“ werden – wie Vögel seit Jahrzehnten überall der „Moderne“ ansonsten zum Opfer fallen, praktisch als Industrieprodukte dahin vegetieren – interessiert da überhaupt nicht. Plötzlich machen sich die selben Leute Sorgen über das Recycling von PV-Anlagen um gleichzeitig geradezu von „Atomkraft“ zu schwärmen. Eine kleine Sammlung findet sich unter „Rainer“ auf unserem Forum. Wen wundert es also, wenn sich auch wer findet der an jeglicher Art von Wärmedämmung etwas „auszusetzen“ hat – schlimmer ablehnt. Da hilft keine Wissenschaft, keine Studie. Diese selbsternannten „Spezialisten“ wissen immer alles besser. Würden sie nicht andere „(Leicht) Gläubige“ finden, könnte man diese Unkritik getrost ignorieren. Doch eine nicht ganz neue „Sportart“ ist es „dagegen zu sein“. Das WEB ist voll davon. Schon Albert Einstein hat dazu eine Meinung „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher“. Stattdessen habe ich eine Info die zum Thema passt von „bine.info „Schonende Sanierung 17.06.2014 - Rückbaubare Innendämmungen für Denkmäler“ einfach mal googeln. Nicht jeder Blog mag Links. Hier wäre er : http://www.bine.info/index.php?id=39&no_cache=1&typ=30&artikel=2757&cHash=ca1ad8c24883e1b61504095045254f5b

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