Titelgeschichte im SPIEGEL: falsche Berechnungen, falsche Schlussfolgerungen
Der SPIEGEL vom 01.12.2014 mit dem Titel “Die Volksverdämmung: Wie Mieter und Hauseigentümer um Milliarden betrogen werden” liefert auf seinen 8 Seiten keinen einzigen Hinweis darauf, dass der Titel stimmt. Im Gegenteil:
bei genauem Betrachten sind die Aussagen falsch, die die Unwirtschaftlichkeit einer Fassadendämmung “beweisen” sollen:
Seite 64, linke Spalte, 2. Absatz: “Viele von Ihnen haben bereits vor Jahren .... doppelverglaste Fenster eingebaut..., weil sich mit diesen Maßnahmen, anders als häufig bei der Fassadendämmung, tatsächlich viel Geld sparen lässt.”
Eine Aussage nach der Devise “stark behauptet ist besser als schwach bewiesen”. Tatsächlich ist es folgendermaßen: Mit doppelverglasten Fenstern, die schon vor Jahren eingebaut wurden, gab es U-Wertverbesserung von 5 bis 6 W/m2K auf bestenfalls 2,0 W/m2K oder knapp darunter. Kosten: 400 bis 500 Euro pro Quadratmeter, ergibt bei 30 Quadratmeter Fensterfläche 12.000 bis 15.000 Euro Kosten. Energieeinsparung: ca. 600 Euro pro Jahr (gerechnet mit 80 Cent pro Liter Heizöl).
Beim WDVS auf einer zuvor ungedämmten Wand sinkt der U-Wert von 1,5 (60er-Jahre Haus) auf 0,2 W/m2K. Kosten: 120 Euro pro Quadratmeter, macht bei 150 Quadratmeter Fassade rund 18.000 Euro. Die Einsparung in diesem Beispiel: ca 1.200 Euro pro Jahr. WDVS spart mehr Energie für weniger Investition als Fenster, was jeder Fachmann ohnehin weiß. Den Einbau besserer Fenster (dreifach verglast) halte ich aber ohne Frage im Zuge einer energetischen Sanierung dennoch für sinnvoll und notwendig.
Seite 64, linke Spalte, unten:... Mieter Reischle zahlte vor dem Umbau 2010 “etwa 100 Euro im Monat für Heizung und Warmwasser. Dabei ist es geblieben”. DER SPIEGEL schlussfolgert: Die Dämmung hat nichts gebracht. ACHTUNG: Im Jahr 2010 lagen die Preise für Heizöl bei zeitweise unter 60 Cent pro Liter. Das, was Mieter Reischle heute an Nebenkosten zu bezahlen hat, wurde vermutlich im vorigen Jahr festgelegt.
Da lagen die Heizölpreise teilweise bei 90 Cent pro Liter. Ohne Dämmung würde Mieter Reischle heute – sofern er mit Heizöl heizt – rund 150 Euro pro Monat für Heizung und Warmwasser bezahlen. Da sein Energiebedarf fürs warme Wasser vermutlich nicht zurückgegangen ist, hat Mieter Reischle seiner Wärmedämmung an der Fassade nicht nur zu verdanken, dass seine Heizkosten nicht höher wurden, sondern sie fängt zusätzlich auch noch die Energiepreissteigerungen beim Warmwasser ab. Wenn man mit den SPIEGEL-Zahlen weiterrechnet, kommt man zu folgendem Ergebnis: Die Investition lag bei rund 4.500 Euro (1.000.000 Euro geteilt durch 220 Wohneinheiten). Nach etwa 7,5 Jahren wäre die Investition bezahlt, bei künftigen Energiepreissteigerungen, die sehr wahrscheinlich sind, noch schneller.
Seite 64, 2. Spalte, 3. Absatz: “... könnten Eigenheimbesitzer damit rechnen, durch eine gedämmte Fassade maximal 30 Prozent des Energieverbrauchs einzusparen. Doch dann lohnt sich die Sache finanziell nicht.” Richtige Aussage, falsche Schlussfolgerung: doch es lohnt sich!!! Immer wieder dieselbe, ärgerliche Sache, von FAZ bis WELT, von WDR bis SPIEGEL: Die Redakteure rechnen nicht nach, was sie behaupten: Ein Haus mit 4.000 Euro Heizkosten pro Jahr, kann 30 Prozent davon über WDVS (also 1.200 Euro pro Jahr) einsparen. Das WDVS kostet ca. 20.000 Euro. Finanziert über 20 Jahre (2 % Zins, 4 % Tilgung – mit KfW-Mitteln noch preiswerter zu finanzieren) betragen die Kosten 1.200 Euro pro Jahr.
Nur wenn die Energiepreise stabil bleiben und das WDVS nur 20 Jahre hält, hätte man keinen Gewinn gemacht (dafür aber 20 Jahre lang eine schöne, neue Fassade plus Behaglichkeit im Haus gehabt – für 0 Euro Zusatzinvestition). Da aber die Energiepreise vermutlich steigen werden, das WDVS eher 40 Jahre hält und die Zinsen der KfW aktuell bei 1 % p.a. liegen, werden mit dem WDVS zusätzlich zur schönen neuen Fassade und zur Behaglichkeit schon bald ordentliche Gewinne eingefahren. Die Aussage “spart 30 Prozent” ist richtig, nur die SPIEGEL-Schlussfolgerung ist falsch. Wertsteigerung für den Eigentümer und die Tatsache, dass jede Fassade instand zu halten ist und damit Kosten verbunden sind, sind hier immer noch nicht berücksichtigt und verschieben die Bilanz weiter zugunsten der Dämmung.
Was stimmt: Es gibt Häuser, bei denen die Fassadendämmung nicht sinnvoll ist – wenn sie beispielsweise bereits sehr gute Dämmwerte aufweisen oder wenn die Fassade zu erhalten ist. Es gibt außerdem Fälle, bei denen ein WDVS nur mit sehr viel Aufwand an die Wand zu bringen wäre, beispielsweise bei sehr verwinkelten Kubaturen oder bei fehlendem Dachüberstand. Dann ist eine Amortisationsrechnung neu aufzustellen. Grundsätzlich die Wirksamkeit des Dämmens abzustreiten, heißt aber nicht weniger, als die Physik zu leugnen.
Fazit: DER SPIEGEL kann seine Behauptung (“Betrug”), die er auf dem Titel aufstellt, in seinem Beitrag nicht nur nicht belegen, sondern beim Nachrechnen kommt heraus, dass DER SPIEGEL falsch rechnet und damit falsch argumentiert.
Frage an den SPIEGEL: Auf Seite 63 wird behauptet “Studien belegen”, dass die Kalkulationen rund um die Wärmedämmung nicht stimmen würden. Was sind das für Studien? Sie werden in dem Beitrag nicht genannt.
Noch eine Frage: Warum werden so intensiv die vielen erfolgreichen Sanierungsprojekte ignoriert? Wieso wird hier nicht zu Ende recherchiert und gezeigt, dass es hunderttausende sanierte Gebäude gibt, auf die genau das alles zutrifft – Fassade verschönert, Heizkosten gesunken, Innenraumklima behaglicher geworden! Solche Beispiele zu finden ist einfach, denn sie stehen von Flensburg bis Passau, von Aachen bis Cottbus überall in Deutschland.
Interessant: Auf Seite 76 im aktuellen SPIEGEL beginnt ein Beitrag zum Thema “Energieversorgung der Zukunft”, in dem über ein Reihenhaus-Projekt des Ökostromanbieters Lichtblick berichtet wird. Zitat: “Der Plan sieht vor, dass sich die Investitionen in wenigen Jahren amortisieren werden.” Das Energiekonzept des Reihenhauses basiert auf mehreren Säulen: Fotovoltaik, Lithiumbatterien, Blockheizkraftwerk. Eine Fassadendämmung wird nicht erwähnt. Frage: Hat das Haus eine Fassadendämmung? Ein Anruf bei Lichtblick, Abteilung Forschung und Entwicklung, klärt auf: “Ja, es hat eine Außendämmung, ein WDVS.” Warum hat der SPIEGEL diese Information unterschlagen?
Werden die Bürger tatsächlich um Milliarden betrogen, wenn sie dämmen? Oder ist WDVS eine unverzichtbare Säule der Energiewende? SPIEGEL, Du musst Dich entscheiden! Welcher Deiner beiden aktuellen Beiträge stimmt denn nun?
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