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Im Neubau bestehen grundsätzlich weniger Restriktionen als im Bestand, es sind also in aller Regel hohe
Dämmstoffdicken möglich. Im Bezug auf Baugrenzen, wie sie in Bebauungsplänen vorgesehen sind, erscheinen
flexible Regelungen sinnvoll, nach denen eine Überschreitung der Grenzen in bestimmtem Umfang
möglich ist, wenn dadurch ein verbesserter Energiespar‐Standard erreicht wird. Solche Regelungen
sind teilweise schon Praxis. Auf diese Weise kann ein sinnvoller Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen
„Schaffung von ausreichend Wohnraum“, „Beschränkung der Bebauung auf ein sinnvolles Maß“ und
„Erreichung sehr guter energetischer Standards“ geschaffen werden.
17. Welche sozialpolitischen Auswirkungen hat die gegenwärtige Entwicklung der gesetzlichen Vorgaben
auf den Kostenfaktor Wohnen?
Sanierung wirkt für den Gesamtmarkt nur in geringem Maße als Preistreiber, da nur ca. 1 % der Wohnungen
pro Jahr saniert werden (und damit 99 % weiter abgewohnt werden)1.
Die Mietpreisanstiege der letzten Jahre sind weitgehend marktbedingt. Im Einzelfall sind jedoch extreme
Preissteigerungen möglich. Hier scheint es ggf. sinnvoll, die Regelungen des § 559 BGB zu überdenken. Für
Empfänger von Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“) sollten die Kommunen das Urteil des Bundessozialgerichts
im Fall Herne umsetzen (Az.: B 14 AS 60/12), dann werden Leistungsbezieher nicht durch maßvolle
energetische Sanierungen verdrängt (und gleichzeitig findet eine bessere Kostenkontrolle bei den oft exzessiven
Heizkosten statt). Von der für 2016 geplanten Wohngelderhöhung (die sich auf Bruttokaltmieten bezieht)
profitieren Haushalte in sanierten Wohnungen (höhere Bruttokaltmiete, weniger Heizkosten) überproportional,
dies erscheint als ein sehr geeignetes sozialpolitisches Instrument.
18. Wie beurteilen Sie die Möglichkeit nach §25, Abs. 1 der EnEV 2014 von den Anforderungen der Verordnung
befreien zu können und wie ist der Stand der aktuellen bundespolitischen Diskussion mit Blick auf
eine Abstimmung mit den Ländern?
Die Möglichkeit sich von den Anforderungen der EnEV in Härtefällen befreien zu lassen, ist grundsätzlich
sinnvoll. Die im Text von § 25, Abs. 1 angeführte Definition der „unbilligen Härte“ ist unseres Erachtens
jedoch nicht zielführend. Das geringfügige Verfehlen eines zuvor definierten Wirtschaftlichkeitskriteriums
kann kein eindeutiger Beleg für die „Unwirtschaftlichkeit“ der Maßnahme sein. Durch die Wahl der Randbedingungen
(Kalkulationszinssatz, Energiepreissteigerung) sind immer Unsicherheiten gegeben, die bei der
Wirtschaftlichkeitsberechnung im Rahmen von Szenario‐ oder Sensitivitätsanalysen abzubilden sind.
In der aktuellen Diskussion zwischen dem Bund und den Ländern sollte darüber hinaus darauf geachtet
werden, dass die angesetzten Kosten bei Außenwand, Steildach und Fenstern auf dem so genannten
„Kopplungsprinzip“ basieren (sog. energiebedingte Mehrkosten): Maßnahmen zur Energieeinsparung werden
nur dann ergriffen, wenn am Bauteil ohnehin aus Gründen der Bauinstandhaltung bzw. Verkehrssicherungspflicht
größere Maßnahmen erforderlich werden. Beispiel: Eine Außenwand wird nur dann nachträglich
gedämmt, wenn ohnehin eine umfangreiche Putzerneuerung notwendig wird. Eine Konsequenz aus
dem Kopplungsprinzip ist, dass im Zuge einer ohnehin anstehenden umfangreichen Instandsetzung z.B. der
Außenwand oder des Steildachs lediglich die energiebedingten Mehrkosten gegenüber der ohnehin stattfindenden
Instandsetzungsmaßnahme in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der zusätzlichen energiesparenden
Maßnahmen einfließen. Dieser Ansatz entspricht den Vorgaben der EnEV, denn auch diese fordert
Maßnahmen nur dann, wenn das jeweilige Bauteil ohnehin erneuert bzw. wärmegedämmt wird. Eine Verpflichtung
für eine vorzeitige Verbesserung des Wärmeschutzes vor ohnehin stattfindenden Sanierungsmaßnahmen
besteht dagegen nicht.
Dr. Nikolaus Diefenbach, Michael Grafe, Dr. Andreas Enseling, Tobias Loga, Dr. Christian von Malottki,
Martin Vaché, Rolf Born, Christoph Jedek
INSTITUT WOHNEN UND UMWELT GmbH

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