Armin Scharf

Dämmen trotz Rebound?

Armin Scharf, 16. Dezember 2014

Wenn die real erreichte Energieeinsparung nach energetischen Sanierungen nicht erreicht wird, liegt das meist an den Gewohnheiten. Warum Fassadendämmung trotz Rebound-Effekt sinnvoll ist und Nachdenken statt Skandalisierung weiterhilft.

Dass der Mensch ein ausschließlich rational entscheidendes und agierendes Wesen ist, gehört bekanntlich in den Bereich der Legenden. Das Streben nach Komfort, Status, Sicherheit oder Unabhängigkeit scheinen wir von unseren Altvorderen geerbt zu haben und praktizieren dies weiterhin – meist unbewusst.

Dieses Verhaltensmuster taucht auch bei Thema Energieeffizienz auf, das ist auf den ersten Blick verwunderlich, auf den zweiten jedoch gar nicht. Sprich: Wir setzen auf energieeffiziente Techniken oder Systeme, auf Beleuchtung mit LEDs, effiziente Heizungen, Fassadendämmung oder Photovoltaik – weil der Sinn dieser Maßnahmen rational klar ist. Schließlich lassen sich so nicht nur ökologische Effekte erreichen, sondern auch laufende Kosten reduzieren. In welchem Umfang dies passiert, lässt sich meist sehr schön berechen. Soweit die Theorie.

Die Realität sieht derweil etwas anders aus. Denn trotz der vielen energiesparenden Techniken, mit denen wir uns umgeben, steigt beispielsweise der Stromverbrauch kontinuierlich. Und obwohl wir wissen, dass sich Motorleistung direkt auf den Verbrauch eines Autos auswirkt, sind Neuwagen immer stärker motorisiert. 2009 betrug die durchschnittliche Leistung 118 PS, 2012 bereits 138 PS. Autos sind ein Spezialfall, könnte man hoffen. Aber auch den neuen Fernseher mit möglichst vielen Plus-Zeichen auf dem Energielabel ordern wir gerne ein bis zwei Nummer größer. Oder wir lassen das LED-Licht länger brennen, statten uns mit mehr Lichtquellen aus. Und plötzlich ist es in der Summe vorbei mit dem Effizienzgewinn. Fahrer von Hybrid-Fahrtzeugen, so ließ sich beobachten, nutzen ihre neuen Wagen weit häufiger als die konventionellen Vormodelle.

Bei Gebäuden zeigt sich nach deren energetischer Sanierung, dass das Ersparnispotenzial geringer als berechnet ausfällt. Die Ursachen sind meist nutzergemacht: Da werden beispielsweise alte Heiz- und Lüftungsgewohnheiten beibehalten, bislang kalte Räume ebenfalls erwärmt oder die Durchschnittstemperatur um gemütliche 1-2 Grad Celcius hochgesetzt.

Diese Diskrepanz zwischen den theoretisch erreichbaren sowie kalkulierten Einsparungen und den tatsächlichen Werten nennt man „Rebound“. Der „Rückprall“ basiert allein auf dem Verhalten der Nutzer, das eben nicht rational, sondern emotional-subjektiven Regeln folgt. Der Mehrkonsum frisst dabei nicht nur die finanziellen Ersparnisse auf, er sorgt auch für die Schieflage der ökologischen Betrachtung.

Sind damit alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen obsolet, die energetische Ertüchtigung von Häusern Lug und Trug, wie Kritiker multimedial skandalisieren? Sind Fassadendämmungen Nepp, weil sie sich nicht amortisieren? Das zu folgern wäre banal, ja geradezu populistisch und viel zu kurz gedacht. Dieser abseitigen Argumentationskette folgend, wäre jede Bemühung, den Ressourcen- und Energieverbrauch, die Klimaveränderung einzugrenzen, nutzlos, ja sogar betrügerisch.

Genau das Gegenteil ist der Fall: Es muss eigentlich mehr getan werden, um den Rebound-Effekt auszugleichen. Und: Wir müssen unser konsumgeprägtes Verhalten ändern. Weniger ist mehr, dieses alte Credo der Bauhaus-Ästheten ist heute überall vonnöten. Dabei geht es nicht um Verzicht an Komfort generell, sondern um das Finden eines neuen Maßes, um Nach- und Mitdenken. Das wiederum wäre überhaupt eine gute Idee.

 

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