Ronny Meyer

Wärmedämmverbundsysteme sind kein Sondermüll

Ronny Meyer, 20. Dezember 2012

Als Antwort auf meinen Beitrag „Der Wahnsinns-Journalismus geht weiter“ gab es einige interessante Kommentare. Zunächst mal dafür ein dickes DANKESCHÖN. Was wir dringend brauchen, ist eine (sachliche) Diskussion zum Thema „Wärmedämmung“ oder besser noch zum Thema „Ganzheitliche Modernisierung“.

Und zur Ganzheitlichkeit gehört dann eben nicht nur auch die Betrachtung der Fenster und der Haustechnik, sondern natürlich auch die Ökobilanz der verwendeten Baustoffe, verbunden mit der Frage, was eigentlich passiert, wenn das Haus irgendwann abgerissen wird. Stichwort „Müll“, gerne auch „Sondermüll mit Fragezeichen“.

Erstaunlich, wie schnell die Dämmkritiker zu ausgewachsenen Umweltschützern werden, wenn sie das Argument der „schwierigen Recyclingfähigkeit“ aus dem Hut zaubern und gern das Bild von gigantischen Müllbergen aus Polystyrolplatten in unsere Köpfe projizieren möchten.

Ich bin ein großer Freund der Realität: Ich weiß nicht, wie es in anderen Dörfern oder Städten aussieht. Hier bei uns ist es so, dass nicht jeden Tag ein Haus abgerissen wird. Die meisten – nein: fast alle – Häuser hier stehen seit zig Jahren und werden wohl noch einige Zeit auch stehen bleiben. Ich habe auch noch nirgends beobachten können, dass eine alte Wärmedämmung irgendwo runtergerissen wird. Eher wird eine alte, dünne Dämmung dicker gemacht. Dafür gibt es bereits ausgereifte Systeme, damit Dünndämmer aus den Siebzigern zu Vernünftigdämmern von heute werden können.

Wärmedämmung ist Sondermüll? Ich würde behaupten wollen, dass diese Art des Mülls verglichen mit anderen Müll-Quellen von der Gummibärchen-Tüte bis zur Flachbildschirmverpackung so gut wie gar nicht vorkommt.

Seit 50 Jahren gibt es Wärmedämmverbundsysteme, die noch viele Jahre halten dürften. Ich bin sicher, dass meine nagelneue Dämmung 100 Jahre lang ihre Dienste leisten wird. Und sollte die Oberfläche vielleicht in 70 Jahren nicht mehr ganz so jugendlich daherkommen, gibt es bestimmt einen 1-A-Deck-Schutzputz, damit die Dämmplatten das Haus weiter mollig warm halten. Vielleicht lesen ja meine Ururenkel diesen Beitrag ... sie werden es dann genau wissen.

Bei dieser WDVS-Sondermüll-Diskussion muss ich immer an den Atommüll denken. Hat man uns nicht vor 30, 40 Jahren versprochen, dass man spätestens im Jahr 2000 das Endlagerungsproblem gelöst haben wird? Man hat inzwischen Internet und Smartphone entwickelt, gigantische technische Meisterleistungen. Beim Atommüll kratzt man sich immer noch am Kopf und überlegt, wie man die Kiste dicht bekommt. Wie wär's mit „Atomkraftwerke abschalten und rigoros auf Energieeffizienz“ setzen? Ach so, stimmt, da ist ja das Recyclingproblem der Polystyrolplatten.

Erstens forscht mittlerweile das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen nach einer wirtschaftlichen Methode der Wiederverwertung, die aktuell – zweitens – noch nicht vorhanden ist weil – Achtung – viel zuwenig „WDVS-Müll“ anfällt. Zu Deutsch: wo kein Problem ist, da gibt es auch noch keine Lösung.

Noch ein Gedanke: Wenn ein Öltanker im Ozean auseinanderkracht, verseucht er für Jahrzehnte ganze Küstengebiete. Hätten wir unsere Häuser alle ordentlich gedämmt, würde die Anzahl der Öltanker auf den Weltmeeren zurückgehen. Die Gefahr von Öl-Unfällen ginge dann automatisch auch zurück. Der Sorge, in 50 bis 100 Jahren Polystyrolmüll gezielt entsorgen (und wieder verwerten) zu müssen, steht aktuell das Problem die realen Gefahr von Tankerunglücken.

Mark machte hier im Blog am 10. Dezember 2012 auch ein interessantes Fass auf. Er sagt:

Würde man nach 30 Jahren bereits ein Wärmedämmverbundsystem auf einmal entsorgen, dann entspricht das einer monatlichen Menge von etwa 300 Gramm im Gelben Sack.

Stellen Sie sich nun bitte diese 300 Gramm im Gelben Sack vor und machen Sie sich klar, dass dieser Müll immerhin 30 Jahre lang Energie gespart hat, während anderer Gelber-Sack-Müll nur für ein paar Tage als Verpackung diente.

In diesem Sinne ein beschauliches Weihnachtsfest. Achten Sie doch mal drauf, wie viel Müll bei Ihnen an Heilig Abend anfällt: Vom Gänsebraten bis zur Geschenkverpackung. Umweltschutz?

 

Kommentare  

ZSOM Freitag, 21. März 2014 10:05
Den Zusammenhang zwischen fehlender Hausdämmung und der Verseuchung der Weltmeere durch Tankerunglücke finde ich schon auch etwas weit hergeholt. Ich halte aber auch die Sondermüll Argumentation von Dämmungsgegnern für nicht sehr überzeugend. Fakt ist, man spart durch eine fachgerechte Gebäudedämmung Heizkosten, was sich direkt im eigenen Geldbeutel bemerkbar macht und unzweifelhaft auch der Umwelt dient. Fakt ist aber auch, dass sich die Methoden der Dämmung noch nicht optimal darstellen – hier gibt es wohl noch Verbesserungsbedarf.
Ronny Meyer Donnerstag, 10. Januar 2013 14:00
Danke für die Kommentare. Das mit der sachlichen Diskussion ist offenbar nicht so ganz einfach. Der Spagat zwischen Emotionalität, “einfach mal eine andere Sicht wagen” und den so genannten harten Fakten offenbar auch nicht. Zu den harten Fakten gibt es hier im Blog übrigens genügend andere Beiträge. Obwohl auch “weiche” Fakten – meiner Meinung nach – der Diskussion dienlich sind, wie diese Diskussion zeigt. Mit harten Fakten kann übrigens auch nicht jeder etwas anfangen: Sind 110 kWh Energieeinsparung pro Quadratmeter WDVS pro Jahr viel oder wenig? Womit die Fragen nach der Wirtschaftlichkeit und nach der Ökobilanz ausreichend – positiv – beantwortet sein müssten. Logo! Oder? Bitte sachlichfachlich antworten. Natürlich ist es jedem selbst überlassen, ob er sein Geld unnötig verheizt (und damit die Umwelt unnötig belastet) oder ob er sein Haus vernünftig einpackt. “Jedes Ding hat zwei Seiten”, “jede Kraft hat eine Gegenkraft”: Das gilt auch für WDVS. Die Sichtweisen sind alle berechtigt, nur bitte sachlich bleiben. Dann können wir uns lösungsorientiert Punkt für Punkt vorknöpfen. Okay?
andreas beck Montag, 07. Januar 2013 15:11
Das ist schon eine etwas merkwürdige Argumentation. Natürlich ist es schön, durch Energiesparen das Risiko von Öltankerunglücken zu verringern und Atommüll zu reduzieren. Natürlich kann ich irgendwelche Vergleichsrechnungen mit Plastikmüll anstellen, der selbstverständlich viel zu viel ist. Ansonsten viel dürfte und könnte im Artikel. Die wichtigen Fragen sind doch andere: Wieviel Energie stecke ich in die Produktion der Dämmung? Was bekomme ich an Einsparung zurück? Wie lange hält der jeweilige Dämmstoff (ich meine damit im funktionalen Dämmverbund, nicht die Verrottbarkeit)? Wann ist eine Erneuerung der Dämmung notwendig? Sind die fungiziden Beimischungen in Putz und Farbe ein Problem? Bei allen Angeboten, die ich mir bis jetzt machen ließ, war dies absoluter Standard. Dies wird aber alles ausgewaschen und gelangt in den Boden und ins Grundwasser. Wenn wir jetzt massiv dämmen mit unökologischen Produkten, werden wir uns für die Zukunft evtl. ein Problem schaffen. Forschung garantiert ja keine Lösung, und man sieht ja gerade beim Atommüll, wozu sowas führen kann. Der Artikel klingt ja gerade so, als ob man sich darüber keine Gedanken machen müßte. Da muß man kein fanatischer Dämmgegner sein, um sich solche Fragen zu stellen. Aber erst das ist die Realität und nicht Gummibärchentütenvergleiche. Und die ökonomische Seite will ich gar nicht erwähnen: Bei den Preisen fragt man sich auch, ob es sich wirklich rechnet. Amortisationszeiten von 10 - 15 Jahren, wie häufig in der Presse zu lesen und von Energieberatern angegeben, halte ich für absolut zu niedrig. Man soll davor nicht die Augen verschließen, denn ich glaube, das ist der Hauptpunkt, wieso die meisten Leute dann doch zur billigeren Kunststofflösung greifen, deren Ökobilanz sehr fraglich erscheint. Wie schon im ersten Kommentar: Fakten sehe ich in diesem Artikel keine.
Daniel Wedel Samstag, 05. Januar 2013 23:28
Das eigene Haus ist eines der Dinge, die den Menschen enorm viel bedeuten. Man spart ewig darauf, verwirklicht Träume und setzt meist sein ganzes Geld dafür ein, wenn nicht noch mehr. Ich denke daher, dass es sehr schwierig ist bei einem solchen Thema neutral zu argumentieren. In mehreren Artikeln, in denen Sie Polystyrol-Dämmungen verteidigen, erwähnen Sie die Dämmung Ihres eigenen Hauses. Total verständlich, dass Sie sich wünschen, diese Dämmung würde ewig halten. Aber ich finde, man sollte auch andere Punkte beleuchten: Wir sprechen von Kunststoff-Schaum. Den Wetterbedingungen ausgesetzt. Fahrräder knallen dagegen, Ameisen und Vögel bauen ihre Nester darin. (Alles definitiv kein Einzelfall.) Schaum auf solide Mauern geklebt, in der Regel mit mineralischen Klebern, armiert und verputzt. Dazwischen noch jede Menge Metalldübel. Ein festes Gemisch, das vor dem Recyceln erst einmal aufwändig getrennt werden müsste. Dass es noch nicht so viele Fälle von maroden Dämmungen gibt liegt schlicht an der Einsatzmenge, die erst in den vergangenen 10 Jahren exponentiell zugenommen hat. Früher wurde, meiner Ansicht nach, auch ordentlicher gearbeitet. Man konnte sich nicht im "geiz ist geil"-Internet den billigsten Anbieter heraussuchen sondern hat den Malermeister vor Ort genommen. Und der hat bekanntlich einen Ruf zu verlieren. Und heute: Wenn die Dämmarbeiten nicht tipptopp ausgeführt werden, kommt es an Anchlussstellen zu Problemen. Kleine Lücke? Zack, Bauschaum rein. Nicht ganz sauber geschnitten? Zack, Mörtel drüber. Leider findet Wasser immer einen Weg. Dazu Hitze und Kälte; die Fassade arbeitet leicht; es entstehen Haarrisse. Wasser sickert durch unbemerkte Risse hinter die Dämmung. Dort kann sie allerdings nicht mehr weg ... nur ins Hausinnere oder im Winter als Dampf in die Dämmung. Auch falsches Lüftungsverhalten kann zu Feuchteproblemen führen. Denn, Polystyrol ist ja nicht dampfdicht, sondern bis zu einem gewissen Grad dampfdurchlässig. Der Dampf schlängelt sich zwischen den Kügelchen durch. Wenn Wasserdampf allerdings in der Dämmung kondensiert, wird er zu Wassertropfen und die sind zu groß und bleiben stecken. Im Tauchversuch kann Polystyrol ca. 1,3 Vol.% Wasser aufnehmen. Das erscheint wenig, ist es aber gar nicht. Bei einer Rohdichte von 35kg/cbm kann ein Quadratmeter 20cm dickes Polystyrol immerhin 2,5 Liter Wasser aufnehmen. Und mit jedem Tropfen verschlechtert sich die Wirkung und vergrößern sich die Probleme. Sie sehen also, es gibt durchaus einige Gründe, dass viele Fassaden früher oder später komplett saniert werden müssen. Und es werden mit Sicherheit exponentiell mehr werden. Es gibt alternative Materialien (Mineralschaum, Holzfaser, etc.) und wirklich gute Handwerker. Beides ist etwas teurer. Doch gerade bei hohen Investitionssummen schlägt die MWSt. richtig zu. Wenn die Regierung darauf verzichten würde, über die MWSt. an den eh schon knapp kalkulierenden Hausbesitzern zu verdienen, oder nur 7% nähme, hätten viel mehr Menschen genug Geld für qualitativ hochwertige Fassaden die tatsächlich lange halten.
wofgang Luppert Samstag, 05. Januar 2013 20:55
das ist doch immer das Selbe.....da kommen solche Schwachmaten und erzählen uns von Müllbergen....von zwanzig Jahren.....von Schimmel......von Hausschwamm....von Wänden die nicht atmen können....alles schon hundertmal wieder legt....und dann kommen wieder die Besserwisser...die eigentlich gar nichts wissen.....verunsichern alle Leute.....und das bewirkt nur dummes Gelabber.....einfach bei den Fakten bleiben....ganz einfach.....wenn jemand sein Haus nicht dämmen möchte ok.....einfach sagen...kein Bock drauf....dann ist es doch ok....aber bitte nicht dumm daher labbern.......
Udo Sieverding Freitag, 21. Dezember 2012 09:48
Sorry, aber unter dieser Überschrift hätte ich Fakten erwartet und keine Relativierungen. Das ist ein Bärendienst für diese wichtige Diskussion!

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