Armin Scharf

Patchwork? Nicht an der Fassade.

Armin Scharf, 14. April 2014

Leider gibt es Energieeffizienz nicht ganz umsonst, zumindest wenn man lediglich die Investitionen im Blick hat. Schrittweise vorzugehen ist durchaus sinnvoll, aber Teilstrecken sollten in einem Anlauf erledigt sein, auch die Dämmung der Fassaden.

Zugegeben, es kostet. Trotz aller Förderprogramme, Zuschüsse und minimalbezinster Kredite sind hocheffiziente Heizsysteme, Solaranlagen oder Wärmedämm-Verbundsysteme nicht für lau zu haben. Und wenn doch, dann Vorsicht – Schnäppchen erweisen sich hier in der Regel als (finanzieller) Bumerang. Auf der anderen Seite: Nichts zu tun, ist angesichts der Kosten Öl und Gas auch keine Lösung.

Nun könnte man, um das eigene Budget nicht allzu stark zu belasten, diesen Plan entwickeln: Wir nehmen uns die Gebäudehülle Stück um Stück vor! Eigentlich eine interessante Idee, die Investitionen einfach auf einen längeren Zeitraum zu verteilen. Sollte man meinen. Aber leider zerlegt dieser schlaue Ansatz jede Amortisationsrechnung, das Sparpotenzial zerrinnt zwischen den nicht optimierten Bereichen.

Abgesehen davon: Das vermutlich jahrelang dauernde Stückwerk ist bauphysikalisch höchst problematisch und alles andere als eine Zierde. Wer kennt sie nicht, die Eigenheime, die nie fertig werden? Bei denen zwar der Carport makellos steht, aber Aushubhügel sich in Unkraut-Biotope verwandeln und die Fassade im Unterkleid dasteht. Vor allem in ländlichen Gebieten scheint dieses Bauritual besonders beliebt zu sein. „Jetzt beginnen wir eben mal, der Rest zeigt sich“ – so lautet offenbar das Motto der Gelegenheitsbauer, die dann hinter rohen Ziegel- oder Hohlblockmauern residieren und ihren absturzfreundlichen Balkon nie betreten dürften.

Das eigenwillige Verständnis von „Work in Progress“ taucht auch bei Sanierungen auf: „Erst mal dämmen wir die Westfassade mit den gemeinsten Rissen, dann die anderen.“ Nun haben gute Vorsätze bekanntlich eine begrenzte Halbwertszeit, das Unfertige wird irgendwann Normalzustand, die Beseitigung des Fassaden-Patchworks schleppt sich dahin. Und damit bleibt die Bastelei eine ästhetikfreie Baustelle mit latent ruinöser Anmutung. Die Chancen, mit der neuen Fassade auch eine neue Gestaltung umzusetzen, sind dahin, denn die kommt nur in einem Guss zustande.

Wohlgemerkt: Bei der Sanierung eines Gebäudes nach einem Stufenplan vorzugehen, ist nicht verwerflich – doch die Teilstücke sollten in einem Anlauf abgehakt werden. Alles andere als jeweils Heizung, Fenster, Dach und Fassade in einem Zug zu modernisieren, ist schlicht nicht wirtschaftlich. Oder würden Sie auf die Idee kommen, die Neulackierung eines Autos am Kotflügel rechts zu beginnen, nach drei Monaten dann die Heckklappe folgen zu lassen, die Tür links und im nächsten Jahr die Motorhaube? Eben.

 

Kommentare  

Omicroner Mittwoch, 16. April 2014 22:21
Der Beitrag spicht mir aus dem Herzen. In unserer weiteren Nachbarschaft gibt es drei solche Grundstücke - und ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich sie sehe. Eins davon grenz direkt an den Garten von Freunden, die seit nunmehr zwei Jahren einen Blick auf nicht angefüllte Kellerwände und einen riesigen Erdhügel hinterm Nachbarhaus haben. Anderes Beispiel: mein Nachbar baut sich vor sein (schon lage fertiges) Haus einen Holzcarport. Nicht etwas einen Bausatz, sondern selbst frei Schnauze entworfen aus Holz, dass er als LKW Fahrer zur Ladungssicherung benötigt und übrig hat. Und so sieht das Ding auch aus. Es war zwar für ihn fast kostenlos, aber die ganze Ansicht ist hinüber.

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