Eine energetische Sanierung bringt immer einige Unannehmlichkeiten für die Bewohner des Hauses mit sich, z.B. Lärm, Barrieren oder fremde Handwerker im Haus. Wenn es um das eigene Einfamilienhaus geht, ist die Toleranzgrenze erfahrungsgemäß nicht so schnell erreicht, denn man hat sich ja selbst dafür entschieden, die Sanierung anzugehen.

In Mehrfamilienhäusern ist das schwieriger. Wohnungseigentümer müssen sich in oft langwierigen Prozessen auf eine Sanierung einigen, manche von ihnen werden überstimmt, obwohl sie gar keine Sanierung wollten. Und Mieterinnen und Mietern werden in die Entscheidung, ob und wie saniert wird, meist überhaupt nicht einbezogen.

Umso wichtiger ist im Mehrgeschossbau die Kommunikation mit allen Beteiligten, und zwar von Anfang an. Der Faktor Mensch spielt für eine gelungene Sanierung eine oft unterschätzte Rolle. Manche Hausbewohner haben häufig den Eindruck, dass sie durch eine Sanierung mehr Nach- als Vorteile haben. Sie befürchten, dass sie die Sanierung mitbezahlen müssen, aber nichts oder wenig dafür bekommen. Zumindest nichts, was ihren Aufwand rechtfertigt. Genau hier muss die Kommunikation ansetzen. Zum einen geht es dabei natürlich immer um die Kosten.

Zahlreiche Studien und Beispiele haben bereits aufgezeigt, dass energetische Sanierungen wirtschaftlich sind, insbesondere dann, wenn sie im Zuge von „Ohnehin-Sanierungen“ durchgeführt werden. Das ist freilich nur ein Aspekt, den es zu betonen gilt. Energetische Sanierung haben aber im Gegensatz zu reinen Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten viele andere positive Auswirkungen. Der gestiegene Wohnkomfort nach einer Modernisierung sollte bei der Kommunikation daher genauso im Mittelpunkt stehen wie die Kosteneinsparung durch den verringerten Energieverbrauch.

Am Ende der Sanierung wird der Hausbewohner am Energiezähler beobachten können, wie sich alles gelohnt hat. Diese Aussicht muss in den Köpfen verankert sein, wenn die Handwerker anrollen und die Gerüste montiert werden. Das Endprodukt (energieeffizientes Haus mit gesteigertem Komfort) darf vom Prozess („schmutzige, laute Sanierung“) in der Kommunikation nicht übertönt werden.

Kommunikation ist  daher ein zentrales, wenn nicht das zentrale Thema bei jeder Sanierung. Man sollte die Hausbewohner über jeden Sanierungsschritt auf dem Laufenden halten. Das kann mit schriftlicher Kommunikation geschehen, etwa indem man regelmäßige Infobriefe in die Briefkästen verteilt. Noch wichtiger ist es aber, die Bewohner zusammenzubringen und sie bei einer oder mehrerer Versammlungen persönlich zu informieren. Es geht darum, die Hausgemeinschaft von der Sanierung zu überzeugen, die Bedenken ernst zu nehmen und Überzeugungsarbeit für die „gute Sache“ zu leisten.

Denn die Eigentümerinnen und Eigentümer bzw. die Mieterinnen und Mieter müssen die Sanierung anschließend gemeinsam „aushalten“. Das ist ein mühsamer Prozess, für den die aktiv an der Sanierung Beteiligten (Architekten, Planer, Handwerker, Ingenieure, Energieberater) eigentlich gar nicht ausgebildet sind. Da braucht es eher soziologisch geschulte Expertinnen und Experten, die im Konfliktfall auch mal als Mediator auftreten können.

Wenn man diese Angebote macht, dann kann die Akzeptanz einer energetischen Sanierung deutlich gesteigert werden. Dies zeigt zum Beispiel eine Studie der Akademie für Soziales Wohnen der Evangelischen Hochschule Freiburg und des Instituts für angewandte Sozialforschung AGP. In der Studie wurde untersucht, wie man mit einer sozialen Begleitung Konflikte vermeiden und Proteste von Mietern aber auch Wohnungseigentümern von Anfang an adressieren kann.

In der Studie stehen vier Personengruppen im Mittelpunkt, die von einer Sanierung besonders betroffen sind: Senioren haben z.B. ein höheres Sicherheitsbedürfnis in den eigenen vier Wänden, die Wohnung dient häufig als wichtiger Rückzugsraum. Junge Familien halten sich mit ihren Kindern länger und häufiger in ihren Wohnungen auf und fühlen sich durch Lärm besonders gestört.

Behinderte Menschen leiden vor allem unter Barrieren, die durch Baustellen entstehen. Bei Migranten kann es zu Verständigungsproblemen kommen, daher ist der Kommunikationsaufwand höher. Die in der Studie vorgeschlagenen Elemente wie z.B. regelmäßige Sprechstunden vor Ort oder sogar eine individuelle Betreuung einzelner Bewohnerinnen und Bewohner ist sinnvoll für alle Sanierungsprojekte in Mehrfamilienhäusern.

Ein solcher Aufwand für die Kommunikation scheint auf den ersten Blick vielleicht übertrieben, doch er lohnt sich vor allem bei größeren Projekten, denn eine Sanierung, von der alle überzeugt sind und die die positiven Ergebnisse in den Vordergrund rückt, hat für alle Beteiligten nur Vorteile. Die Wohnungsunternehmen können ihre Projekte zügiger umsetzen, die Mieterinnen und Mieter haben das gute Gefühl, Teil des Ganzen zu sein und Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die eventuell überstimmt wurden, lernen, dass sie am Ende auch noch persönlich profitieren. Da kann man dann auch leichter ein Auge zudrücken, wenn es ab und zu mal lauter oder schmutziger wird.

 

Kommentare  

Kilian Rüfer Donnerstag, 08. Januar 2015 17:50
Interessanter Artikel! Wie würdet ihr euch die Begleitkommunikation vorstellen? Briefe? Von Tür zu Flur zu Tür Gespräche? Zu Veranstaltungen einladen? Gibt es einen link zu der Studie?
Thomas Bauer Donnerstag, 15. Januar 2015 11:18
Hallo Herr Rüfer, die Expertise gibt es als PDF unter http://www.akademie-soziales-wohnen.org/images/forschung/expertise_sanierungs-sozial-begleiter-lr.pdf. Bei dem Konzept sind verschiedene Elemente angedacht: Infoveranstaltungen für alle Bewohnerinnnen und Bewohner, offene Sprechstunden oder individuelle Beratungen. Es soll z.B. auch zwischen Handwerkern und Bewohner vermittelt werden, wenn es Probleme gibt. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Fragen, sonst können Sie mich gerne noch mal kontaktieren.

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